Bayer twittert, wir antworten
Stellungnahme zu der Bayer-Reaktion auf unsere Studie „Doppelstandards und Ackergifte von Bayer und BASF“
In der Studie „Doppelstands und Ackergifte von Bayer und BASF“ haben wir, die Rosa-Luxemburg-Stiftung, PAN Germany und INKOTA, nachgewiesen, dass Bayer und BASF für die Vermarktung und teils Entwicklung von mindestens 33 Pestizidwirkstoffen verantwortlich sind, die eine akute Bedrohung für die menschliche Gesundheit darstellen. Viele dieser Wirkstoffe sind bereits bei geringer Dosierung tödlich, andere gelten als wahrscheinlich krebserregend, erbgutschädigend oder reproduktionstoxisch. In Brasilien, Mexiko und Südafrika lassen sich mindestens acht dieser Wirkstoffe in den Pestizidportfolios der beiden Unternehmen nachweisen. Auf die Veröffentlichung der Studie hat Bayer mit mehreren Tweets reagiert. Die dort aufgestellten Behauptungen und gemachten Aussagen von Bayer möchten wir im Folgenden richtigstellen.
In der Studie „Doppelstands und Ackergifte von Bayer und BASF“ haben wir, die Rosa-Luxemburg-Stiftung, PAN Germany und INKOTA, nachgewiesen, dass Bayer und BASF für die Vermarktung und teils Entwicklung von mindestens 33 Pestizidwirkstoffen verantwortlich sind, die eine akute Bedrohung für die menschliche Gesundheit darstellen. Viele dieser Wirkstoffe sind bereits bei geringer Dosierung tödlich, andere gelten als wahrscheinlich krebserregend, erbgutschädigend oder reproduktionstoxisch. In Brasilien, Mexiko und Südafrika lassen sich mindestens acht dieser Wirkstoffe in den Pestizidportfolios der beiden Unternehmen nachweisen. Auf die Veröffentlichung der Studie hat Bayer mit mehreren Tweets reagiert. Die dort aufgestellten Behauptungen und gemachten Aussagen von Bayer möchten wir im Folgenden richtigstellen.
Falsch: Es wurde nichts "in einen Topf gerührt". Der zusammenfassenden Tabelle am Ende der Studie ist klar zu entnehmen, mit welchen Wirkstoffen Bayer nach wie vor Pestizide vertreibt und welche von Bayer entwickelten und auf dem Markt eingeführten Wirkstoffe heutzutage von anderen Unternehmen vertrieben werden. So lange keine Transparenz im internationalen Pestizidwirkstoffhandel herrscht, ist unklar, in welchem Umfang Bayer diese Wirkstoffe möglicherweise weiterhing an andere Unternehmen verkauft, die sie dann wiederum unter eigenem Namen vertreiben – genauso wie wir es in unserer Studie für den Wirkstoff Fenamiphos in Brasilien nachgewiesen haben. Außerdem war die akute Giftigkeit (WHO Klassen Ia und Ib), der im Bericht genannten Wirkstoffe von Anbeginn bekannt, was Bayer damals nicht daran gehindert hat, sie auf den Markt zu bringen.
Diese Aussage ist aus drei Gründen falsch:
- In der Selbstverpflichtung von Bayer, BASF und Syngenta vom 19. Juni 2013 ging es nicht um "Insektizid-Formulierungen", sondern um das „Vom-Markt-Nehmen“ von Pestizidwirkstoffen der WHO-Klassen Ia und Ib.
- Sowohl die Überprüfungen dieser Selbstverpflichtung von PAN im Jahr 2015 als auch unsere aktuelle Studie ergaben, dass Bayer nach 2014 weiterhin eigene Präparate zum Beispiel mit den WHO Ib-Wirkstoff Beta-Cyfluthrin vermarktet.
- Bayer hat Methiocarb nicht wie in der Selbstverpflichtung vereinbart im Jahr 2014 vom Markt genommen. So wurde in Marokko das Methiocarb-haltige Mesurol 2015 noch als Insektizid im Obstbau angeboten, und in Neuseeland noch 2020 als Vogelrepellent. Auch Fenamiphos ist ein WHO Ib-Wirkstoff, der weiterhin von Bayer vertrieben wird.
Falsch: Im Januar 2021 hat Bayer das Methiocarb-haltige Produkt Mesurol weiterhin auf der Bayer-Firmenwebseite für Neuseeland und Australien angeboten. Das zeigt unser Screenshot der Bayer-Webseite vom 19.1.2021:
Aktuell wird von Bayer das Carbendazim-Produkt Derosal auf seiner venezolanischen Website beworben. Das zeigt unser Screenshot von der Bayer-Webseite in Venezuela vom 12.5.2021.
Diese Erwiderung ist irreführend. In unserem Bericht ist nicht von Pestizid-Produkten die Rede, die WHO-Ib klassifiziert sind, sondern von Produkten, die WHO Ib-klassifizierte Wirkstoffe enthalten. Bayer hatte sich verpflichtet, ab dem Jahr 2014 keine Wirkstoffe mehr zu vermarkten, die den WHO Klassen Ia oder Ib angehören.
Im globalen Süden ist die "sichere" Anwendung hochgefährlicher Pestizide eine Illusion. In Südafrika werden auf Weinfarmen weibliche saisonale Arbeitskräfte selbst dann in die Weinberge geschickt, wenn gleichzeitig hochgiftige Pestizide gesprüht werden. Landarbeiter*innen bezeichnen die Schutzausrüstung als reine „Dekoration“. Sie sei zwar auf den meisten Farmen vorhanden, werde den Landarbeiter*innen aber nur einen Tag vor einer Inspektion ausgehändigt und müsse danach wieder zurückgegeben werden. Das Beispiel zeigt, dass selbst wenn Trainings tatsächlich stattfinden, eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass diese an der Realität vorbeigehen. Dies erklärt auch, warum einer jüngsten wissenschaftlichen Studie zufolge statistisch betrachtet etwa 40 Prozent der Landwirt*innen (und zwar fast ausschließlich im globalen Süden) jährlich eine akute Vergiftung durch Pestizide erleiden.
Wir empfehlen Bayer unsere Studie richtig zu lesen: Spirodiclofen und Thiacloprid werden nicht wegen ihrer akut-toxischen Wirkung (WHO Ib) hervorgehoben, sondern wegen der EU-Einstufung als wahrscheinlich krebserregend 1B (Spiridiclofen) beziehungsweise wahrscheinlich reproduktionstoxisch 1b (Thiacloprid).
Falsch: Auf den Produktlabeln der beiden Produkte Nemacur und Nemacur EC – beide datiert auf November 2020 (!) – ist ersichtlich, dass der Wirkstoff Fenamiphos von Bayer in seiner Fabrik in Hofu, Japan produziert und von Bayer selbst in Brasilien formuliert wurde.
Ein Wirkstoff, der nach international anerkannten Kriterien nachweislich sehr giftig ist und eine Gefährdung für die menschliche Gesundheit darstellt, ist überall auf der Welt und für alle Menschen giftig. Ob akut-toxisch, krebserregend oder reproduktionstoxisch - diese Giftwirkungen sind unabhängig von Klima und geografischer Lage. Sicherlich gibt es Stoffe, die für die Landwirtschaft in der EU nicht brauchbar sind. Aber die Bezugnahme auf regional unterschiedliche landwirtschaftliche Bedürfnisse lenkt vom Thema ab. Akute und chronische Vergiftungen beim Menschen haben nichts mit der Anbaustruktur zu tun und es gibt auch unter tropischen Bedingungen weniger gefährliche Alternativen, bis hin zu beeindruckenden Ertragssteigerungen durch die Einführung agrarökologischer Anbauverfahren.
Die Zulassung in mindestens einem OECD-Land ist keine “Sicherheitsgarantie”. Chile, Mexiko und Argentinien sind OECD-Mitglieder und haben bekanntlich eine schwache Pestizid-Regulierung. Das zeigen auch die Listen der in diesen Ländern verfügbaren hochgefährlichen Pestizide: Liste für Chile, für Argentinien und für Mexiko.
Wir haben genauso wie für unsere Studie im Jahr 2020 auch für unsere diesjährige Studie Bayer angeschrieben, um mehr über Bayer-Wirkstoffe in Südafrika zu erfahren. Unser Anschreiben ging an Liam Condon. Er ist Mitglied des Bayer-Vorstandes und unter anderem für Afrika zuständig. Genauso wie im letzten Jahr erhielten wir keine Antworten auf unsere Fragen. Dies steht im kompletten Gegensatz zu dem hier öffentlich beteuerten Wunsch nach einem Austausch. So stellen wir uns einen Dialog nicht vor.
Kontakte
Wiebke Beushausen, INKOTA-netzwerk, Mobil: +49 176 85 98 12 63, E-Mail: beushausen[at]inkota.de
Peter Clausing, PAN Germany, Mobil: +49 176 43 79 59 32, E-Mail: peter.clausing[at]pan-germany.org
Jan Urhahn, Rosa-Luxemburg-Stiftung, Mobil: (Whatsapp): +27 79 63 89 97 6 oder (Signal und Telegram): +49 176 70 61 03 81, E-Mail: jan.urhahn[at]rosalux.org