Zwischen Mut und Repression
Vom Widerstand gegen Bergbau und der Notwendigkeit wirksamer Lieferkettengesetze
1.540 Land- und Umweltschützer*innen wurden laut Global Witness zwischen 2012 und 2020 weltweit ermordet, Tendenz steigend. Knapp ein Fünftel der Fälle standen im Zusammenhang mit Bergbau und Rohstoffprojekten. Indigene Vertreter*innen waren 2020 mit 37 Prozent der 272 Morde überproportional betroffen, obwohl sie nur fünf Prozent der Weltbevölkerung ausmachen.
Es gibt viele Erklärungen, warum der Rohstoffsektor für Menschen, die sich gegen die Ausbeutung natürlicher Ressourcen wehren, besonders gefährlich ist. Zunächst ist hier viel Geld im Spiel, denn Bergbau ist lukrativ, zumindest für internationale Unternehmen und teils davon profitierende Staaten, selten jedoch für die Bevölkerung. Weil ihre Wirtschaft oft einseitig darauf ausgerichtet ist, sind rohstofffördernde Staaten abhängig von den Einnahmen aus diesem Sektor. Bergbau- und Rohstoffunternehmen, die ihren Profit meist über alles stellen, haben dadurch viel Einfluss. Hinzu kommen strukturelle Ursachen wie ein schwach ausgeprägter Rechtsstaat, Korruption und Klientelismus, Hürden beim Zugang zur Justiz, Straffreiheit sowie mangelnde Entschädigung für die Betroffenen.
Dadurch entstehen Interessenkonflikte und ein Machtungleichgewicht zwischen Rohstoffunternehmen und betroffenen Gruppen wie indigenen Gemeinden, Menschenrechtsverteidiger*innen und Arbeiter*innen. In Ländern wie Kolumbien, der DR Kongo oder den Philippinen herrschen darüber hinaus bewaffnete Konflikte und es kommt zu außergerichtlichen Hinrichtungen. Der Rohstoffhandel trägt zur Finanzierung der bewaffneten Gruppen und zur Verschärfung der Konflikte bei.
In einigen Ländern wird der Handlungsspielraum der Zivilgesellschaft zudem durch Gesetze eingeschränkt, die Kritiker*innen kriminalisieren und verhindern sollen, dass sie sich zusammentun und gegen bestimmte Projekte protestieren. Und wenn Betroffene sich gegen Rohstoffprojekte wehren und Gerechtigkeit fordern, scheitern sie oft an formalen Hürden wie daran, Beweise zu sammeln oder die Verantwortlichen zu identifizieren, auch weil Rohstofflieferketten zu intransparent sind.
Ein eindrückliches Beispiel ist das von Teresita Navacilla, einer indigenen Menschenrechtsverteidigerin aus den Philippinen, die für ihr mutiges Engagement mit ihrem Leben zahlen musste. Sie war Mitglied des indigenen Netzwerks „Save Pantukan Movement“, das sich für indigene Landrechte, Umweltschutz und gegen industriellen Bergbau in Süd-Mindanao einsetzt. Mit Umweltgruppen hatte sie gegen die geplante Eröffnung der King-King-Mine zur Kupfer- und Goldgewinnung durch internationale Unternehmen protestiert. Ihre Warnungen vor den Auswirkungen des Minenprojekts auf die Umwelt und das Recht auf Gesundheit wurden nicht ernst genommen.
Am 27. Januar 2016 wurde Teresita Navacilla von bewaffneten Männern, mutmaßlich Soldaten der philippinischen Armee, die für die Sicherheit der Mine zuständig waren, angeschossen und starb kurz darauf. Das philippinische Militär hat die Verantwortung für den Mord abgestritten. Andere indigene Vertreter*innen und Minengegner*innen wurden von Soldaten angegriffen und verhaftet. Der Fall zeigt, wie riskant der Einsatz von Menschenrechtsverteidiger*innen ist und wie schwer es sein kann, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.
Gewalt gegen Menschenrechtsverteidiger*innen im Rohstoffsektor ist kein Einzelfall und weltweit verbreitet. Verantwortlich dafür sind staatliche und nichtstaatliche Akteur*innen wie kriminelle Organisationen oder paramilitärische Gruppen. Oft stecken Regierungen, die Polizei und das Militär hinter der Gewalt, obwohl sie ihre Bevölkerung und deren Rechte schützen müssten. Häufig sind indirekt oder direkt auch Unternehmen über ihre Lieferketten involviert. Manche engagieren private Sicherheitskräfte, um Gegner*innen von Rohstoffprojekten mundtot zu machen oder sie umbringen zu lassen.
Lieferkettenverantwortung von Guatemala bis Deutschland
Die Verstrickung von internationalen Unternehmen in Gewalt gegen Menschenrechtsverteidiger*innen wird am Beispiel der größten Nickelmine Mittelamerikas deutlich. Das Schweizer Unternehmen mit russischem Kapital Solway Investment Group, das die Nickelmine Fénix in El Estor, Guatemala, betreibt, sorgte zuletzt für negative Schlagzeilen aufgrund der Vertuschung von Umweltzerstörung sowie der Einschüchterung von Menschenrechtsverteidiger*innen und lokalen Gemeinden.
Der Nickelabbau in der Mine reicht lange zurück, genauso wie der Widerstand gegen die Mine und die Gewalt, die gegen protestierende Studierende, Anwohner*innen und lokale Fischer*innen, ausgeübt wurde. Die lokalen und indigenen Anwohner*innen warnten immer wieder vor den ökologischen und menschenrechtlichen Folgen der Mine.
Von der Mine sind unkontrolliert mineralische Abfälle in Flüsse und den See Izabal gelangt, wodurch das Wasser verpestet wurde und Seekühe, Fische und Schildkröten starben. Für die Mine wurden zudem Wälder gerodet und die Luft verschmutzt. Während die Anwohner*innen, insbesondere die Kinder, schon länger mit gesundheitlichen Problemen wie Hautausschlag und Atemwegserkrankungen zu kämpfen haben, wurde den Fischer*innen durch das verpestete Wasser eine lebenswichtige Einnahmequelle genommen.
Trotz dieser offensichtlichen negativen Folgen für die Menschen und die Umwelt streiten die lokalen Behörden, das Umweltministerium und das Bergbauunternehmen den Zusammenhang mit dem Nickelabbau vor Ort ab. Geleakte interne Kommunikation bezeugt aber, dass Solway sich bereits 2017 der eigenen Verantwortung für die Umweltschäden bewusst war. In Folge eines missachteten Urteils des Verfassungsgerichts, das die Minenlizenz aussetzte und Solway aufforderte, die lokale Bevölkerung zum Projekt zu konsultieren, gab es 2021 wochenlang Straßenblockaden indigener Gemeinden gegen die Mine.
Die Behörden reagierten drastisch, verhängten den Ausnahmezustand, setzten Grundrechte aus und entsandten hunderte Soldat*innen und Polizist*innen in die Region. Es kam zu mehreren Verletzten und Verhafteten. Auf diese Weise kriminalisierten die guatemaltekischen Behörden den Widerstand der indigenen und lokalen Anwohner*innen und versuchten ihn zu unterbinden. Im folgenden Konsultationsprozess mit den Gemeinden fiel dann eine Entscheidung zugunsten des Minenprojekts. Allerdings hatte das Unternehmen laut geleakten Daten vorher versucht die lokale Bevölkerung zu manipulieren, um sie für das Minenprojekt zu gewinnen.
Die aufgedeckten Methoden der Einflussnahme auf die lokalen Gemeinden durch Solway sind vielfältig und reichen von der Bestechung von Gemeindevertreter*innen über Schmutzkampagnen gegen Minengegner*innen bis zur versuchten Spaltung der Anwohner*innen. Eine indigene Gemeinde in einem rohstoffreichen Gebiet sollte durch angebliche soziale Investitionen, Jobs und Bestechung zur Umsiedlung gebracht werden. Nicht bei allen geleakten Plänen ist belegt, ob sie auch umgesetzt wurden. Belegt ist aber, dass der Journalist Carlos Choc, der schon länger über den Konflikt und die Ermordung eines Fischers und Minengegners berichtet hatte, Drohanrufe erhielt, angezeigt wurde und 2017 untertauchen musste.
Der Fall ist auch deshalb so relevant, weil die Nickel-Lieferkette von der Mine in Guatemala bis nach Deutschland reicht. So bezogen zum einen Unternehmen wie Bosch-Siemens und IKEA rostfreien Stahl über eine finnische Firma, die vor Kurzem noch Ferronickel aus Guatemala importiert hat. Zum anderen belieferten Siemens und mindestens vier weitere deutsche Unternehmen die Fénix-Mine mit Elektroteilen und anderen Geräten. Ob diese Lieferbeziehungen mit Solway weiter bestehen, ist unklar. Fakt ist aber, dass Unternehmen gemäß internationalen Standards eine Verantwortung zur Achtung der Menschenrechte und Umwelt in ihrer gesamten Lieferkette – und damit bis zur Fénix-Mine in Guatemala – haben.
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Unternehmen in die Pflicht nehmen
Die Regulierung unternehmerischer Sorgfaltspflichten bietet Chancen auf eine Verbesserung der Situation von Menschenrechtsverteidiger*innen in Rohstofflieferketten wie in Guatemala. In Deutschland wurde dafür im Juni 2021 das Lieferkettengesetz verabschiedet, allerdings mit großen Schwächen. Auf EU-Ebene stehen die Batterieverordnung und eine sektorübergreifende Sorgfaltspflichtenregulierung in den Startlöchern. Unternehmen sollen in die Pflicht genommen werden, Menschenrechte und Umweltstandards in ihren Rohstofflieferketten einzuhalten.
Im oben genannten Fall müssten die europäischen Geschäftspartner*innen Druck auf Solway ausüben, damit Menschenrechte und Umweltstandards in der Fénix-Mine eingehalten werden. Um Wirkung zu entfalten, müssten die Regulierungen präventiv ausgerichtet und eine zivilrechtliche Haftung eingeführt werden. Damit würde es für die Betroffenen leichter, ihre Rechte vor europäischen Gerichten einzuklagen und von den verantwortlichen Unternehmen entschädigt zu werden. Ebenso zentral ist, dass der Schutz von Menschenrechtsverteidiger*innen durch präventive Maßnahmen und die Einbeziehung von Rechteinhabenden, also zum Beispiel von den Bewohner*innen betroffener Gemeinden, im Sorgfaltsprozess der Unternehmen geregelt wird. Das fordert auch die UN-Sonderberichterstatterin für Menschenrechtsverteidiger*innen, Mary Lawlor. Nur wenn (potenziell) Betroffene keine Repressionen fürchten müssen, können sie sich wirksam gegen Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung wehren. Letztlich sollten auch indigene Rechte im Rohstoffsektor gestärkt werden, damit indigene Gemeinden wie im Fall in Guatemala nicht manipuliert und gespalten werden, sondern ihre Rechte gemeinsam einfordern können. Dafür muss ihr in der ILO-Konvention 169 festgeschriebenes Vetorecht vor geplanten Rohstoffprojekten verbindlich umgesetzt werden. Außerdem sollte diese Konvention in Lieferkettengesetzen verankert werden, damit Unternehmen im Rahmen ihrer Sorgfaltspflicht indigene Rechte in ihren Rohstofflieferketten besonders achten müssen.
In Kürze veröffentlicht INKOTA ein Infoblatt zum Thema Menschenrechtsverteidiger*innen im Rohstoffsektor. Weitere Informationen dazu unter www.inkota.de/Infoblatt-Menschenrechtsverteidigerinnen-Rohstoffsektor.
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