
Repression als Geschäftsmodell
Die Regierung El Salvadors hat die Staatskassen geplündert und möchte nun mit Häftlingen aus anderen Ländern Geld einnehmen
Der Erfolg gegen die Bandengewalt hat El Salvadors Präsident Nayib Bukele eine enorme Popularität beschert. Mit einem Ausnahmezustand hat er jedoch wichtige Grundrechte außer Kraft gesetzt. Nun setzt er große Hoffnung auf den wiedergewählten US-Präsidenten Donald Trump, der einige Sympathien für Bukeles „strafenden Populismus“ hat.
Hunderte Männer knien auf dem Boden, zusammengekauert, die Hände auf dem Rücken gefesselt. Dunkelhäutig, kahl rasiert, viele mit sichtbaren Tätowierungen. Ihre Gesichter sind nicht zu sehen. Jeder Meter der riesigen, hell beleuchteten Halle wird von vermummten Polizeibeamten mit langen Waffen bewacht. Die Bilder des „Centro de Confinamiento del Terrorismo“ (CECOT, Zentrum zur Abriegelung des Terrorismus) in El Salvador sollen Demütigung und Unterwerfung, aber auch Ordnung und eine fast schon klinische Sauberkeit vermitteln. Viele haben diese Bilder in den letzten Jahren vermutlich gesehen, weil sowohl die salvadorianische Regierung als auch die nationalen und internationalen Medien, die das Gelände betreten dürfen, diese Inszenierungen gerne verbreiten. Nicht die Strände, nicht die Vulkane: Das neue Wahrzeichen El Salvadors ist das größte Hochsicherheitsgefängnis Lateinamerikas, das bis zu 40.000 Häftlinge aufnehmen kann. Wie kaum etwas anders steht es für das „Modell Bukele“. Nayib Bukele ist der mit aller Härte seit 2019 regierende Präsident, seit dem vergangenen Jahr allerdings verfassungswidrig, da er sich illegalerweise zur Wiederwahl stellte.

Drei Jahre Ausnahmezustand
Ein Rückblick: Ende März 2022 war das blutigste Wochenende des 21. Jahrhunderts in El Salvador. In drei Tagen ermordeten Gangmitglieder mindestens 87 Menschen. Präsident Bukele ließ das von seiner Partei Nuevas Ideas (Neue Ideen) kontrollierte Parlament einen Ausnahmezustand verhängen. Dieser ist in der Verfassung für Fälle von Krieg, Katastrophen und schweren Störungen der öffentlichen Ordnung vorgesehen. Das Recht auf Versammlungsfreiheit sowie grundlegende Rechte für Inhaftierte wurden dadurch ausgesetzt.
Das war der Beginn des Modell Bukele. Was als innovatives Wunder verkauft wird, ist nichts anderes als eine extreme Form der Politik der harten Hand. Im Wesentlichen handelt es sich um hemmungslose Repression, die durch den Abbau der demokratischen Institutionen des Landes ermöglicht wird. Dank seiner absoluten Kontrolle der Legislative und Judikative konnte Bukele seinen Ausnahmezustand bisher aufrechterhalten – Monat für Monat wird er seit nunmehr fast drei Jahren verlängert.
Wenn man den Erfolg nur an der Zahl der begangenen Morde misst, ist der Ausnahmezustand unbestritten ein Erfolg. Das Jahr 2021 endete mit 1.140 Tötungsdelikten. Diese Zahl war damals für das Land niedrig: 2015 zum Beispiel, als El Salvador die höchste Mordrate der Welt hatte, wurden 6.656 Menschen im Land ermordet. Im Jahr 2022, mit neun Monaten Ausnahmezustand, sank die Zahl auf 495, so die offiziellen Zahlen der Polizei. Im Jahr 2023, dem ersten Jahr, in dem die Ausnahmeregelung vollständig umgesetzt wurde, wurden nur 154 Morde gemeldet. Auch wenn die Zahl in Wirklichkeit höher liegt, weil die Regierung manche Gewaltopfer einfach nicht mitzählt, sind die Unterschiede zu früheren Jahren enorm. Aber die Sicherheit eines Landes ist mehrdimensional und in El Salvador ist die Ruhe nur oberflächlich.
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Hier Fördermitglied werdenIn den bisher knapp drei Jahren des Ausnahmezustands wurden nach offiziellen Angaben über 83.000 Menschen inhaftiert. Es gibt zahlreiche Berichte über willkürliche Inhaftierungen, teilweise bestätigt durch die Regierung selbst. Menschenrechtsorganisationen berichten über Misshandlungen, Folter und sexuelle Gewalt durch Soldaten und Polizisten innerhalb und außerhalb der Gefängnisse. Mindestens 340 Menschen starben seitdem in Haft, viele durch Gewalt, die meisten, ohne jemals vor ein Gericht gestellt worden zu sein.
Die Folgen der Repression haben Bukeles Popularität bislang kaum geschwächt. Er bleibt weiterhin in seinem Land und in der Region beliebt. Populistische Politiker*innen in ganz Lateinamerika eifern dem salvadorianischen Präsidenten nach. Von Wahlversprechen in Ecuador oder Mexiko bis zur Verhängung eines Teilausnahmezustands in bestimmten Regionen von Honduras hat sich die Repression im salvadorianischen Stil in den vergangenen drei Jahren in Lateinamerika ausgebreitet.
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„Nein zum Bergbau!“
Bukeles weitere Versuche, im Rampenlicht der Weltöffentlichkeit zu stehen, waren weniger erfolgreich. Im Jahr 2021 machte er El Salvador zum ersten Land der Welt, das Bitcoin als gesetzliches Zahlungsmittel verwendet. Doch kaum jemand wollte die Kryptowährung nutzen, das Experiment war kostspielig und scheiterte. Auf Druck des Internationalen Währungsfonds änderte der Präsident im Januar 2025 das Bitcoin-Gesetz und machte es im Grunde unwirksam.
Die vor kurzem erfolgte erneute Legalisierung des Bergbaus könnte einen Kipppunkt der öffentlichen Meinung repräsentieren. 2017 wurde El Salvador das erste Land der Welt, das den Metallbergbau per Gesetz verbot. Ende 2024 beschlossen Bukele und das von ihm kontrollierte Parlament, dieses populäre Verbot ohne Konsultation oder wirkliche Diskussion rückgängig zu machen. Die Entscheidung hat sich als eine der unbeliebtesten Maßnahmen der Regierung Bukele erwiesen, und trotz mehrerer populistischer Bemühungen, die Unzufriedenheit zu beschwichtigen, halten die Proteste gegen den Bergbau an. „No a la Minería! Sí a la Vida!” („Nein zum Bergbau! Ja zum Leben“) hat sich zum populärsten Slogan einer neuen Bewegung entwickelt, die unter anderem auf Unterstützung der Katholischen Kirche zählen kann, die sich seit Jahren nicht mehr gegen die Politik des Präsidenten gestellt hatte.
Sein Krieg gegen die bewaffneten Gangs, die vor allem die armen Menschen in El Salvador jahrelang terrorisiert haben, ist derzeit sein einziges Argument gegen seine Kritiker*innen, mit dem er seine unberechenbaren Entscheidungen rechtfertigt. Wer seine Politik im Umwelt-, Wirtschafts- oder Sozialbereich in Frage stellt, so die Propaganda der Regierung, ruft nach der Rückkehr der Gewalt des organisierten Verbrechens.
Bisher hatte die internationale Gemeinschaft die demokratischen Rückschritte in dem kleinen mittelamerikanischen Land deutlich abgelehnt. Während die internationalen Verurteilungen im Allgemeinen wenig dazu beigetragen haben, die Angriffe auf die Zivilgesellschaft und die unabhängige Presse abzumildern, gelang es in seltenen Fällen, einige besonders radikale Maßnahmen des Politikers durch die Androhung von Diskreditierung und Isolierung durch Regierungen in Europa oder den USA zu stoppen.
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Doch zum Glück für die salvadorianische Regierung weht der Wind der internationalen Politik nun in ihrem Sinne. Angesichts der verfassungswidrigen Wiederwahl von Bukele im Jahr 2024 haben die europäischen Regierungen trotz mehrfacher Beweise der Illegalität in jedem Schritt des Wahlprozesses ihm zu seinem Sieg gratuliert.
Der „strafende Populismus“
In den letzten Jahren hat sich Bukele der globalen politischen Rechten angenähert. In Lateinamerika traf er sich unter anderem mit dem argentinischen Präsidenten Javier Milei, dem ecuadorianischen Präsidenten Daniel Noboa und dem costaricanischen Präsidenten Rodrigo Chaves, allesamt Vertreter der Rechten des Kontinents. Stets ging es auch um seine Politik eines „populismo punitivo“, eines „strafenden Populismus“, der ihm in ganz Lateinamerika enorme Unterstützung bescherte.
Aber auch in den USA ist Bukele populär. Im Februar 2024 wurde er bei der Conservative Political Action Conference (CPAC), einer der wichtigsten rechtsgerichteten Veranstaltungen in den USA, wie ein Rockstar bejubelt. Trumps Wahlsieg ist eine Chance für Bukele, sein Modell zu konsolidieren. Die Streichung der Entwicklungshilfegelder durch USAID bedeutet für die salvadorianische Zivilgesellschaft, die Bukele so sehr verabscheut, einen großen Rückschlag. Auch der Einfluss von Elon Musk in der neuen US-Regierung wird dem salvadorianischen Präsidenten zugute kommen, der bereits vor dessen Eintritt in die Politik eine freundschaftliche Beziehung zu Musk hatte.
Der auf Strafe setzende Diskurs Trumps passt perfekt zu Bukeles repressiver Politik. Anstatt sich für die vielen Migrant*innen aus El Salvador in den USA einzusetzen, nimmt Bukele Massendeportationen in Kauf. Im Rahmen des Besuchs von US-Außenminister Marco Rubio in El Salvador im Februar machte Bukele ein beispielloses Angebot. Er bot Trump an, straffällig gewordene Migrant*innen aus den USA in dem 2023 eröffneten Megagefängnis unterzubringen. Aber nicht nur das: Sogar inhaftierte US-Bürger*innen könnten, so Bukeles Angebot, in salvadorianischen Gefängnissen wie dem CECOT aufgenommen werden.
Obwohl Trump das Angebot noch nicht offiziell angenommen hat – und obwohl dies einen Bruch des internationalen Rechts bedeuten würde –, zeigt die Bereitschaft von Bukele, das eigene Land als Strafkolonie anzudienen, wie weit er bereit ist zu gehen, sich den autoritären USA unterzuordnen, wenn er dadurch Einnahmen für die Staatskasse generieren kann, die er in den letzten Jahren geplündert hat. Repression als Dienstleistung für die autoritäre Politik in anderen Ländern – es sind keine guten Zeiten für die verbleibenden demokratischen Kräfte. Umso wichtiger, dass diese sich den gefährlichen Schritten von Autokraten, wie Bukele einer ist entgegenstellen.
Lya Cuéllar ist Journalistin und Politologin. Sie koordiniert den Runden Tisch Zentralamerika, ein Netzwerk von zivilgesellschaftlichen Organisationen, die zu Menschenrechtsthemen in Zentralamerika arbeiten.
Urheberrecht Bild: Kellys Portillo / Alharaca