Eine bemalte Wand zeigt die Abbilder vergangener Präsidenten Mosambiks
Südlink-Magazin

Ein Land am Scheideweg

Nach umstrittenen Präsidentschaftswahlen ist Mosambik in eine tiefe politische Krise gestürzt.

von Christine Wiid
Veröffentlicht 18. MÄRZ 2025

Seit den Präsidentschaftswahlen im Oktober 2024 befindet sich Mosambik in einer schweren politischen Krise. Der umstrittene Wahlsieg des Kandidaten der Regierungspartei hat das Land in eine Spirale aus Protesten, Gewalt und wirtschaftlicher Instabilität gestürzt. Die Opposition stellt die Legitimität der Wahl in Frage und mobilisiert weite Teile der Bevölkerung, die seit Jahren unter Korruption, wachsender Ungleichheit und einer schwachen Wirtschaft leidet.

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Die autoritätre Gefahr - Südlink 211 (INKOTA)
Südlink 211 - Die autoritäre Gefahr
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Die Präsidentschaftswahlen am 9. Oktober 2024 waren von großen Spannungen geprägt. Daniel Chapo, Kandidat der seit der Unabhängigkeit 1975 regierenden FRELIMO-Partei, trat gegen den aussichtsreichsten Oppositionskandidaten Venâncio Mondlane an, einen charismatischen Politiker, der mit Unterstützung der Partei PODEMOS (Optimistische Partei für die Entwicklung Mosambiks, auch: „Wir können“) für das Präsidentenamt kandidierte. Mondlane hatte sich in den letzten Jahren als scharfer Kritiker der Regierung einen Namen gemacht und wurde vor allem von jungen und städtischen Wähler*innen unterstützt. 

Das offizielle Wahlergebnis sah Chapo mit rund 70 Prozent der Stimmen deutlich vor Mondlane, der angeblich nur rund 20 Prozent der Stimmen erhielt. Doch schon kurz nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses meldeten internationale Beobachter*innen erhebliche Unregelmäßigkeiten. Berichte über manipulierte Wählerlisten, eingeschränkten Zugang zu Wahllokalen in Oppositionshochburgen und fehlerhafte Stimmenauszählung ließen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Wahlergebnisses aufkommen. 

Die Opposition sprach von Wahlbetrug und forderte eine unabhängige Untersuchung sowie Neuwahlen. Venâncio Mondlane ging noch einen Schritt weiter: Er erklärte sich selbst zum legitimen Wahlsieger und rief die Bevölkerung zu einem Generalstreik und friedlichen Protesten auf. Dieser Aufruf löste eine Welle von Demonstrationen in mehreren Großstädten des Landes aus. Die Situation eskalierte mit der Ermordung zweier Oppositionspolitiker der Partei PODEMOS. Beide wurden Mitte Oktober in Maputo in ihrem Auto erschossen. Mondlane floh kurz darauf ins Exil, von wo aus er die Proteste über soziale Medien weiter steuerte.

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Proteste, Polizeigewalt und wirtschaftliche Folgen

Die Proteste nach den Wahlen verliefen zunächst friedlich, doch die Sicherheitskräfte reagierten zunehmend brutal auf die Demonstrationen. Bereits in den ersten Tagen setzten Polizei und Militär Tränengas, Gummigeschosse und scharfe Munition ein, um die Demonstrant*innen zu zerstreuen. Nach Berichten von Menschenrechtsorganisationen wie der Plataforma Decide wurden bis Januar 2025 rund 300 Menschen – darunter auch Kinder – getötet, Tausende verletzt oder festgenommen. Hinzu kommen Berichte über gezielte Übergriffe auf Journalist*innen und Aktivist*innen.

Die Gewalt hat nicht nur das Vertrauen in den Staat weiter untergraben, sondern auch die Wirtschaft des Landes schwer getroffen. Viele Betriebe mussten aufgrund der unsicheren Lage schließen oder wurden im Zuge der eskalierenden Proteste zerstört, was zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit geführt hat. Zudem wurde der für die Wirtschaft und den Warentransport wichtige Grenzübergang nach Südafrika mehrfach geschlossen. Auch Exportrouten für Rohstoffe wie Kohle und Erdgas wurden blockiert oder beschädigt. Die mosambikanische Nichtregierungsorganisation Centro de Integridade Pública schätzte den wirtschaftlichen Schaden der Proteste allein in der ersten Novemberwoche auf über 365 Millionen Euro – eine große Summe für das ohnehin fragile Wirtschaftssystem des Landes. Zudem hat die Unterbrechung der Lieferketten auch zu Preissteigerungen bei Nahrungsmitteln geführt. Das hat schwerwiegende Folgen für Millionen von Familien, die täglich um die Sicherung ihrer Lebensgrundlagen kämpfen.

Ende Dezember wurden die Ergebnisse der umstrittenen Wahlen vom Verfassungsrat weitgehend bestätigt. Trotz der weiterhin angespannten politischen Lage kehrte Venâncio Mondlane im Januar 2025 aus dem Exil nach Mosambik zurück. Seine Rückkehr wurde von tausenden Anhänger*innen gefeiert und löste neue Proteste aus, die erneut gewaltsam niedergeschlagen wurden.

Auch Mondlane steht vor großen Herausforderungen: Innerhalb seiner Anhängerschaft gibt es zunehmende Spannungen. Die PODEMOS-Partei hat ihm zwar offiziell ihre Unterstützung zugesagt, doch hinter den Kulissen gibt es Berichte über Machtkämpfe und Meinungsverschiedenheiten über die Strategie gegenüber der Regierung. Ein Austritt Mondlanes und die Gründung einer eigenen Partei stehen im Raum. Mondlanes Rückkehr hat das politische Klima erneut aufgeheizt: Seine Forderung nach einem nationalen Dialog wird von vielen als Chance für eine friedliche Lösung der Krise gesehen – vorausgesetzt, die Regierung zeigt sich kompromissbereit.

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Trotz anhaltender Proteste wurde Daniel Chapo am 15. Januar 2025 offiziell als Präsident vereidigt – unter massiver Polizeipräsenz und fast ohne internationale Gäste. In seiner Antrittsrede versprach er Reformen zur Bekämpfung von Korruption und Armut sowie Maßnahmen zur Stärkung der Wirtschaft. Doch viele Beobachter*innen zweifeln daran, dass Chapo diese Versprechen einlösen kann oder will. Die FRELIMO-Partei hat in den letzten Jahrzehnten immer wieder gezeigt, dass sie bereit ist, ihre Macht um jeden Preis zu verteidigen. Kritiker*innen werfen Chapo vor, nur eine Marionette der alten Parteielite zu sein, ohne wirklichen Willen zur Veränderung. Auch mit der Opposition hat er bisher keine ernsthaften Gespräche aufgenommen.

Wohin steuert Mosambik?

Die Zukunft Mosambiks ist ungewiss, das Land steht am Scheideweg. Die anhaltenden Proteste zeigen die große Unzufriedenheit einer jungen Generation, die Korruption und Machtmissbrauch nicht länger hinnehmen will. Gleichzeitig bleibt die Regierung unnachgiebig und setzt auf Repression statt Dialog. Drei Szenarien sind möglich. Erstens, Eskalation: Ohne Kompromissbereitschaft könnten die Spannungen den Konflikt und die Gewalt weiter verschärfen. Die zunehmende Militarisierung auf beiden Seiten und die wachsende Frustration in der Bevölkerung erhöhen dieses Risiko. Zweitens, Reformen: Internationaler Druck – etwa durch Sanktionen oder diplomatische Interventionen – könnte FRELIMO zu Reformen zwingen. Drittens, Stagnation: Sollte es weder zu Reformen noch zu einer Eskalation kommen, droht eine Fortsetzung des Status quo: eine autoritäre Regierung ohne wirkliche Legitimation und eine zunehmend wütende und unzufriedene Bevölkerung. Keine guten Aussichten für das Land.

Christine Wiid ist Programmkoordinatorin Mosambik bei INKOTA.

Urheberrecht Bild: Christine Wiid

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