Zeit für mehr Verbindlichkeit
Ein Gesetz zum Schutz der Menschenrechte in globalen Lieferketten ist lange überfällig.
Die Schlagzeile klang vielversprechend: „Müller droht der deutschen Wirtschaft mit einem Gesetz für Menschenrechte.“ Diverse Medien berichteten im Februar über einen Entwurf für ein Wertschöpfungsketten-Gesetz, der im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) kursiert.
Laut dem Gesetzesentwurf sollen Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten und mehr als 40 Millionen Euro Jahresumsatz dazu verpflichtet werden, menschenrechtliche Risiken in ihren Lieferketten zu analysieren und Vorsorge zu leisten, damit diese nicht eintreten. Bei drohenden Menschenrechtsverletzungen sollen sie Abhilfe schaffen. Wenn Unternehmen gegen ihre Sorgfaltspflichten verstoßen, drohen Bußgelder bis zu fünf Millionen Euro, Freiheitsstrafen und der Ausschluss von öffentlichen Aufträgen in Deutschland.
Bisher setzt die Bundesregierung beim Schutz der Menschenrechte in globalen Lieferketten auf einen freiwilligen Ansatz. Laut dem Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte (NAP) soll bis 2020 die Hälfte der großen deutschen Unternehmen die Kernelemente einer menschenrechtlichen Sorgfalt umsetzen, andernfalls werde man eine gesetzliche Regelung prüfen. Wegen der fehlenden Verbindlichkeit wurde der Ende 2016 verabschiedete Aktionsplan nicht nur von der Zivilgesellschaft kritisiert, sondern auch vom UN-Sozialausschuss.
Denn die Erfahrungen der letzten 20 Jahre zeigen: Das Prinzip der Freiwilligkeit ist gescheitert. Trotz zahlreicher Nachhaltigkeitsversprechen von Unternehmen sind Menschenrechtsverletzungen in vielen Wertschöpfungsketten an der Tagesordnung – von der Bekleidungsindustrie über den Rohstoffabbau bis zur Arbeit auf Kakaoplantagen in Westafrika.
Auch beim Zugang zu deutschen Gerichten für Betroffene von Menschenrechtsverletzungen bestehen eklatante Lücken. Dies zeigte im Januar einmal mehr die abgewiesene Schmerzensgeldklage von Überlebenden der Brandkatastrophe bei Ali Enterprises, einem pakistanischen Zulieferer des Textildiscounters KiK.
Der Gesetzesentwurf ist daher ein Signal in die richtige Richtung. Unklar ist bisher, wie viel Unterstützung der Entwurf innerhalb des Ministeriums und bei Minister Gerd Müller tatsächlich genießt – ganz zu schweigen vom Wirtschaftsministerium oder dem Auswärtigen Amt, die am NAP-Prozess ebenfalls beteiligt sind. Der Weg scheint noch weit, bis sich endlich auch in der Bundesregierung die Erkenntnis durchsetzt, dass freiwillige Selbstverpflichtungen der Wirtschaft nicht ausreichen, um Menschenrechte in globalen Lieferketten wirksam zu schützen.
Zu hoffen ist aber, dass der Entwurf die Diskussion über eine – schon lange überfällige – gesetzliche Regelung in den kommenden Monaten beflügeln wird.
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Johannes Schorling koordiniert beim INKOTA-netzwerk die Kampagne Make Chocolate Fair!.
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