Seit 2006 diskutiert das Parlament El Salvadors über ein Wassergesetz. Rechte Parteien und der Unternehmerverband sperren sich gegen eine Regulierung, die das Gemeinwohl über Profitinteressen stellen würde. Für das Menschenrecht auf Wasser und eine nachhaltige Wasserpolitik setzen sich hunderte zivilgesellschaftliche Organisationen ein. Und ein neues Wasserprogramm, das im Januar mit Unterstützung von INKOTA begonnen hat.

„Frauen sollen Kinder bekommen und sich um sie kümmern anstatt hier zu sein!“ Mit 25 Gemeindepolizisten war Miguel Jiménez, Bürgermeister von La Libertad, in die Gemeinde El Coplanar gekommen. Aber nicht in erster Linie, um den Anwesenden bei einer Versammlung des kommunalen Wasserkomitees zu erklären, was er von Frauen hält, die sich für die Interessen ihrer Gemeinde einsetzen. Das Mitglied der ultrarechten ARENA-Partei wollte einen neuen Vorstand des Wasserkomitees durchsetzen. Einen Vorstand, der auf ihn hört und einigen Geschäftsfreunden erlauben sollte, Wasser für ihre Unternehmen zu entnehmen. Wasser, das in El Coplanar sehr knapp ist.

Mutig widersetzte sich der ausschließlich mit Frauen besetzte Vorstand des unabhängigen Wasserkomitees den Forderungen des Bürgermeisters. Eine nächtliche Hausdurchsuchung und weitere Einschüchterungen vor allem gegen Dina Lissette Hernández, Finanzverantwortliche des Wasserkomitees folgten. Einige Monate später war Lissette Hernández tot. Ihre Mitstreiterinnen erzählen, dass sie wegen der Angst und dem Stress starb, welche die Drohungen des Bürgermeisters bei ihr auslösten.

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Südlink 187 - Zentralamerika in Bewegung
März 2019
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Südlink 187 - Zentralamerika in Bewegung
März 2019
Zentralamerika, eine Region im Bann der Gewalt? Ja, aber nicht nur. Beeindruckend ist auch die Mobilisierung der Menschen, die sich gegen Unrecht und Unterdrückung auflehnen. Guatemala, Honduras und El Salvador gehören zu den gewalttätigsten Ländern Lateinamerikas. Und nach dem Beginn…

Drei Jahre liegt der Überfall schon zurück. Eine Klage der Frauen gegen Miguel Jiménez auf Basis des Gesetzes zum Schutz von Frauen vor Gewalt ist noch immer anhängig. Aber während sie weiterhin im Vorstand aktiv sind, wurde Jiménez im Dezember 2018 vom eigenen Gemeinderat abgesetzt. Wegen des Verdachts der Veruntreuung von Geldern und weil er Angestellte des Bürgermeisteramts auf der eigenen Finca für sich arbeiten ließ.

Mit einer jährlichen Niederschlagsmenge von etwa 1.700 Millimeter verfügt El Salvador über relativ viel Regenwasser. Und doch ist Wasser ein knappes Gut. Der Klimawandel plagt das Land immer häufiger mit Dürren, zuletzt im Sommer 2018, als in Teilen des Landes bis zu 100 Prozent der Mais- und Bohnenernte verloren gingen. Vor allem aber fehlt eine Wasserpolitik, die die Wasserquellen schützt und für einen gerechten Zugang sorgt. Große Unternehmen, vornehme gated comunities (geschlossene Wohnkomplexe, die um die großen Städte herum entstehen) und die Exportlandwirtschaft sorgen dafür, dass viele Gemeinden buchstäblich auf dem Trocknen sitzen.

Während in den Städten noch der Großteil der Bevölkerung an die – in den Armenvierteln allerdings völlig unzureichende – öffentliche Wasserversorgung angeschlossen ist, erreicht der staatliche Wasserversorger ANDA auf dem Land nur etwa vierzig Prozent der Bevölkerung. Mehr als 2.000 unabhängige und selbstorganisierte Wassersysteme versorgen mehr als eine Million Menschen mit dem lebenswichtigen Gut.

Immer deutlicher wurde in den letzten Jahren, dass in El Salvador ein Gesetz fehlt, das die Ressource Wasser schützt und all jenen eine Grundversorgung sichert, die bislang keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser haben. Schon 2006 haben verschiedene organisationen deshalb einen Gesetzesvorschlag eingebracht, der auf eine nachhaltige Nutzung von Wasser und dessen gerechte Verteilung zielt. Im gleichen Jahr entstand auch das zivilgesellschaftliche Wasserforum (Foro del Agua), in dem sich mehrere Hundert Organisationen und Wassersysteme zusammenschlossen.

Doch weder die wechselnden Regierungen noch das Parlament zeigten in den vergangenen zehn Jahren ausreichend Interesse an dem mehrfach leicht überarbeiteten Gesetzesentwurf, in den mittlerweile auch das 2010 von den Vereinten Nationen offiziell anerkannte Menschenrecht auf Wasser Eingang gefunden hat.

Drohende Privatisierung fördert Mobilisierung
Die Festschreibung von Wasser als öffentlichem Gut stieß insbesondere beim Unternehmerverband ANEP auf Widerstand, der 2017 einen eigenen Gesetzesvorschlag präsentierte. Kernpunkt: die de-facto-Privatisierung der staatlichen Trinkwasserversorgung, indem in Zukunft ein von ANEP dominiertes Gremium den Wasserversorger ANDA kontrollieren soll.

Als die nach den letzten Parlamentswahlen im März 2018 erstarkten rechten Parteien das Thema im Juni 2018 auf die Tagesordnung der zuständigen Parlamentskommission setzten, gingen schon wenige Tage später 15.000 Menschen gegen die drohende Privatisierung auf die Straße.

Ein breites Bündnis aus Wasserkomitees, Nichtregierungsorganisationen, Umweltgruppen, Gewerkschaften, den großen Universitäten und den wichtigsten Kirchen des Landes ermöglichte die größte soziale Mobilisierung seit vielen Jahren. Wegen der Präsidentschaftswahlen im Februar 2019 verschwand das Thema erst einmal von der politischen Agenda, zu groß war die Angst der rechten Parteien, dass die geforderte Privatisierung sie Wählerstimmen kosten würde.

Ein Treffen im Januar mit Vertreter*innen der Wasserkomitees von El Coplanar und von mehreren anderen Gemeinden: „El agua no se vende, se cuida y se defiende“ („Das Wasser wird nicht verkauft, es wird darauf aufgepasst und verteidigt“) – immer wieder rufen die Anwesenden die Parole und zeigen damit, dass sie die beabsichtigte Privatisierung des Wassers nicht hinnehmen wollen. Was sie schon einmal im Kleinen verhinderten konnten, wollen sie nun im Großen schaffen.

Unterstützt werden sie von der Nichtregierungsorganisation Acua, die sich schon seit vielen Jahren für eine nachhaltige Wasserpolitik und den Zugang der Menschen zu Trinkwasser im Bezirk La Libertad einsetzt. Im Januar startete ein Programm von Acua, der Frauenorganisation Colectiva Feminista para el Desarrollo Local und Fespad, der wichtigsten Menschenrechtsorganisation El Salvadors. Mit finanzieller Unterstützung von INKOTA werden sich die drei Organisationen dabei in den nächsten drei Jahren auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene mit vielfältigen Aktionen für das Menschenrecht auf Wasser einsetzen. Allen Beteiligten ist klar, dass der Kampf ums Wasser für die Zukunft El Salvadors von zentraler Bedeutung ist.

Zum Autor

Michael Krämer hat im Januar mit den Partnerorganisationen von INKOTA verschiedene Wasserkomitees und Wassersysteme besucht und war sehr beeindruckt von deren Engagement und Kampfbereitschaft.

Michael Krämer hat im Januar mit den Partnerorganisationen von INKOTA verschiedene Wasserkomitees und Wassersysteme besucht und war sehr beeindruckt von deren Engagement und Kampfbereitschaft.

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