Südlink-Magazin

Vor der Wahlfarce

Eine Verhaftungswelle gegen die Opposition verhindert faire Wahlen in Nicaragua

von Isabell Nordhausen
Veröffentlicht 11. OCTOBER 2021

Hunderttausende Menschen gingen im April 2018 und in den Monaten danach in Nicaragua auf die Straßen, um gegen den autokratischen Regierungsstil von Präsident Daniel Ortega und seiner Ehefrau und Vizepräsidentin Rosario Murillo zu protestieren. Undenkbar schien es damals, dass sich die beiden noch bis zum Ende der Legislaturperiode an der Macht halten würden. Dreieinhalb Jahre später stehen die Wahlen kurz bevor. Doch ein Machtwechsel nach dem Urnengang am 7. November scheint ferner denn je. Die wichtigsten Gegenkandidat*innen wurden in den vergangenen Monaten verhaftet oder unter Hausarrest gestellt, drei Parteien aufgelöst. Seit Ende Mai wurden über 30 führende Oppositionelle inhaftiert, insgesamt befinden sich derzeit (Stand Mitte August) mindestens 139 Menschen aus politischen Gründen unter menschenunwürdigen Bedingungen im Gefängnis. Auch oppositionelle Medien, Journalist*innen und die Pressefreiheit stehen immer wieder unter Beschuss. Zuletzt blockierte das Regime wochenlang die Papiereinfuhr der Tageszeitung La Prensa, schaltete ihre Server ab und nahm ihren Geschäftsführer fest.

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Schon bei den vergangenen Wahlen 2011 und 2016 kam es zu schwerwiegenden Unregelmäßigkeiten. Die Niederschlagung der Proteste 2018 erfolgte dann unter brutalem Gewalteinsatz. Die Bilanz: über 326 Todesopfer, vor allem aus der Opposition. Die unter der Schirmherrschaft der Interamerikanischen Kommission für Menschenrechte eingesetzte „Interdisziplinäre Gruppe unabhängiger Sachverständiger“ (GIEI) kam zu dem Schluss, dass die nicaraguanischen Behörden „Verhaltensweisen an den Tag legten, die nach internationalem Recht als Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu betrachten sind". Der UN-Generalsekretär sowie die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung haben sich unlängst öffentlich für die umgehende Freilassung aller politischen Gefangenen und die Rückkehr zu rechtsstaatlichen Verhältnissen ausgesprochen. Dies sowie die Sanktionen der EU gegen die Vizepräsidentin und sieben hochrangige Vertreter*innen des Regimes sind zu begrüßen. Der Druck seitens der internationalen Gemeinschaft ist mittlerweile die einzige Hoffnung, die den Nicaraguaner*innen, die sich für ein demokratisches Nicaragua einsetzen, bleibt. So sollten die EU sowie die Bundesregierung die Wahlergebnisse nicht anerkennen, wenn demokratische Mindeststandards nicht eingehalten werden, um sich nicht zu Komplizen eines autoritären Regimes zu machen.

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Das Oppositionsbündnis „Nationale Koalition“ sowie der „Zusammenschluss sozialer Bewegungen und zivilgesellschaftlicher Organisationen“ (AMS-OSC) rufen bereits dazu auf, sich nicht an der Wahlfarce zu beteiligen, „solange die Diktatur die totale Kontrolle über den Wahlprozess behält“. In der Tat würde eine Beteiligung an den Wahlen unter den aktuellen Bedingungen vor allem Ortegas Machtmissbrauch weiter legitimieren.

Isabell Nordhausen ist Zentralamerika-Referentin beim INKOTA-netzwerk.

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