Als die Militärs in Chile am 11. September 1973 putschten, hatten sie noch keinen wirtschaftspolitischen Plan. Der Staatsstreich war „zunächst nicht mehr als eine Reaktion auf die Regierung von Salvador Allende und auf die Radikalisierung der politischen und sozialen Situation, die sie als schwere Bedrohung der nationalen Sicherheit und die ihrer eigenen Existenz als Institution empfanden“, erklärt Urs Müller-Plantenberg, der die Zeit um den Putsch herum hautnah miterlebte.

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Südlink 205 - Neoliberalismus
Eine Ideologie der Ungleichheit und ihre Folgen | September 2023
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Südlink 205 - Neoliberalismus
Eine Ideologie der Ungleichheit und ihre Folgen | September 2023
Seinen Siegeszug im Globalen Süden begann der Neoliberalismus mit den Militärdiktaturen der 1970er Jahre in Lateinamerika. Bald setzten auch Regierungen im globalen Norden auf diese Ideologie der Ungleichheit. Bis heute ist er in vielen Ländern weltweit wirkmächtig.

Dennoch gilt dieser 11. September vor 50 Jahren als Startschuss für die praktische Umsetzung neoliberaler Ansätze, denn die Militärdiktatur machte Chile gewissermaßen zu einem Experimentierfeld. Die sogenannten Chicago Boys – eine Gruppe junger Ökonomen, die überwiegend an der University of Chicago bei neoliberalen Vordenkern wie Milton Friedman studiert hatten – erhielten ab 1975 freie Hand für brachiale Reformen. Innerhalb kurzer Zeit deregulierte die Diktatur per „Schockbehandlung“ große Teile der Wirtschaft, zerschlug die Gewerkschaften und privatisierte den Zugang zu Wasser sowie weitgehend das Bildungs-, das Gesundheits- und das Rentensystem. Die Verfassung von 1980 sollte ein neuerliches sozialistisches Experiment unmöglich machen und sicherstellen, dass das neoliberale Wirtschaftssystem auch nach einer Demokratisierung Bestand haben würde.

Demokratisch gewählte Regierungen wie jene unter Ronald Reagan in den USA und Margaret Thatcher in Großbritannien setzten neoliberale Politiken dann auch im Norden durch. Der globale Süden jedoch hatte überwiegend keine Wahl. „Im Kontext der internationalen Schuldenkrise wurden die verschuldeten Länder in Lateinamerika, Afrika, Asien und Osteuropa ab den 1980er Jahren rigiden Strukturanpassungsmaßnahmen unterworfen“, schreibt Karin Fischer in der Einleitung zum Dossier.

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Die sozialen Folgen der Kürzungen im öffentlichen Sektor, der Rücknahme von Preisregulierungen für Grundnahrungsmittel oder der weitreichenden Privatisierungen waren verheerend. Sie beflügelten nationale wie internationale Proteste, die in der altermondialistischen Bewegung der 2000er Jahre einen prominenten Ausdruck fanden. Heute ist es um diese Bewegung ruhiger geworden, wie Shalmali Guttal von Focus of the Global South im Interview erläutert. Und auch die neoliberale Umstrukturierung der Weltwirtschaft hat längst ihren Zenit überschritten. Aktuell sind neoliberale Denkmuster und Politiken dennoch nach wie vor. Sei es in der rechtslibertären Privatstadt-Bewegung, in manchen entwicklungspolitischen Konzepten oder in fragwürdigen Antworten auf die Klimakatastrophe. Das liegt nicht zuletzt daran, dass es ein breites Netzwerk neoliberaler Institutionen und Think Tanks gibt, die diese Denkmuster immer wieder reproduzieren.

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Über all dies, und natürlich den Widerstand dagegen, können Sie in der vorliegenden Ausgabe lesen. Dabei wird deutlich, dass es gute Gründe gibt, diese Ideologie der Ungleichheit abzulehnen und an anderen möglichen Welten zu stricken.

Eine anregende Lektüre wünscht

Tobias Lambert

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Gefördert durch Brot für die Welt aus Mitteln des Kirchlichen Entwicklungsdienstes, von Engagement Global im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), durch die Landesstelle für Entwicklungszusammenarbeit des Landes Berlin sowie die Stiftung Nord-Süd-Brücken. Für den Inhalt dieser Publikation ist allein der INKOTA-netzwerk e.V. verantwortlich; die hier dargestellten Positionen geben nicht den Standpunkt der Zuwendungsgeber wieder.

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