Antigua Guatemala, Guatemala
Südlink-Magazin

Die Rückkehr des Frühlings

Guatemala hofft auf mehr Demokratie und weniger Korruption

von Michael Krämer
Veröffentlicht 29. AUGUST 2023

Viele Jahre hatte der „Pakt der Korrupten“ Guatemala fest im Griff. Doch nun ist seinen Mitgliedern vor den Präsidentschaftswahlen ein schwerer Fehler unterlaufen: Drei fortschrittliche Kandidat*innen wurden unter fadenscheinigen Gründen von der Wahl ausgeschlossen. Bernardo Arévalo aber haben sie übersehen. Der 64-jährige Ex-Diplomat galt als chancenlos und lag in den Umfragen abgeschlagen im Feld der mehr als 20 Kandidat*innen. Als Überraschungszweiter kam er jedoch in die Stichwahl am 20. August und besiegte dort die frühere Sozialdemokratin Sandra Torres, die in den letzten Jahren immer weiter nach rechts gerückt ist.

Glaubwürdig präsentierte sich Arévalo mit einem Programm, in dem die Bekämpfung der grassierenden Korruption ganz oben steht. Für die verarmte Bevölkerungsmehrheit wurde er zum Kandidaten der Hoffnung auf ein demokratischeres, weniger rassistisches Land. Geholfen hat ihm auch die Erinnerung an seinen Vater Juan José Arévalo, 1945 bis 1951 der erste demokratisch gewählte Präsident des Landes. Dessen Amtszeit, in der er wichtige soziale Reformen umsetzte, gilt als „demokratischer Frühling“ Guatemalas. Nicht wenige hoffen nun auf die Rückkehr dieses Frühlings.

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Mit mehr als 58 Prozent der Stimmen hat Arévalo die Stichwahl deutlich gewonnen. Der korrupte Staatsanwalt Rafael Curruchiche und andere möchten die Amtsübergabe am 14. Januar 2024 aber noch verhindern. Kurz vor dem zweiten Wahlgang hatte Curruchiche die Inhaftierung von Führungsmitgliedern von Arévalos Partei „Movimiento Semilla“ angekündigt. Selbst ein Verbot der Partei ist noch möglich. Und wenige Tage nach Arévalos Wahl wurde ein Mordkomplott aus dem Staatsapparat gegen ihn publik. Zwar verfügte die Interamerikanische Menschenrechtskommission CIDH umgehend Schutzmaßnahmen für ihn und die Vizepräsidentin Karin Herrera. Das aber ist ein prekärer Schutz, soll doch ebendieser Staatsapparat für ihre Sicherheit sorgen.

Arévalo hat eine Mammutaufgabe vor sich. Die demokratischen Institutionen sind schwach, die soziale Ungleichheit ist enorm und die indigene Bevölkerungsmehrheit sieht sich einem eklatanten Rassismus gegenüber. Zudem fehlt Arévalo eine Mehrheit im Parlament, seine eigene Partei stellt nur 23 der 160 Abgeordneten. Auch deshalb setzt er auf die Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft. Um deren Unterstützung nicht zu verlieren, muss er als Präsident zumindest einen Teil seiner Wahlversprechen umsetzen. Zur Korruptionsbekämpfung könnte er die UN-Kommission gegen Straffreiheit wieder einrichten, die von 2006 bis 2019 einige spektakuläre Fälle ans Licht der Öffentlichkeit gebracht hatte und genau deshalb von Arévalos Vorvorgänger des Landes verwiesen wurde.

Die Hoffnung auf Veränderung ist groß in Guatemala in diesen Tagen. Möge sie nicht enttäuscht werden, das Land hat einen Neuanfang dringend nötig.

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