„Nehmen Sie die Wirkstoffe aus dem Produktportfolio!“
Schauen Sie die Rede von Lena Luig, die auf der Hauptversammlung 2020 der Bayer AG nicht zu hören sein wird.
Heute, am 28. April, findet die Hauptversammlung 2020 der Bayer AG statt. Auf dem jährlichen Treffen bestimmen die Aktionär*innen über die Geschicke des milliardenschweren Chemie- und Pharmakonzerns. Verwendung des Bilanzgewinns, Wahl des Aufsichtsrates, Vergütung der Vorstandsmitglieder: dies sind nur einige Punkte der Tagesordnung. Doch so wie es aussieht, werden dieses Jahr keine kritischen Stimmen auf der Versammlung zu hören sein. Und dass, obwohl wir jüngst in einer Studie aufgedeckt haben, dass Bayer mit in der EU verbotenen Pestiziden Geschäfte in Brasilien und Südafrika macht!
Im letzten Jahr war Lena Luig, unsere Referentin für Welternährung und globale Landwirtschaft, auf der Bayer-Hauptversammlung. In einem Redebeitrag kritisierte sie das Geschäftsmodell der Bayer AG klar – und war damit nicht alleine. Aufgrund der Corona-Krise findet die Hauptversammlung dieses Jahr online statt. Konnten Fragen sonst spontan und live vor Ort gestellt werden, müssen sie dieses Jahr vorher elektronisch eingereicht. Und: Der Vorstand selbst darf nach freiem Ermessen entscheiden, welche Fragen er beantwortet. So kann der Vorstand kritische Stimmen auf der Versammlung verhindern, ohne sich dafür rechtfertigen zu müssen.
Bayer exportiert verbotene hochgiftige Pestizide
Dabei gibt es Grund genug für Kritik am Geschäftsmodell Bayers! Zusammen mit Misereor und der Rosa-Luxemburg-Stiftung haben wir gerade die Studie „Gefährliche Pestizide von Bayer und BASF - ein globales Geschäft mit Doppelstandards“ veröffentlicht. In dieser konnten wir nachweisen, dass Bayer mit fünf hochgiftigen Wirkstoffen in Brasilien und Südafrika Geschäfte macht. Und dass, obwohl diese Wirkstoffe in der EU explizit verboten sind!
Lena Luig hat dazu eine eindeutige Meinung! Schauen oder lesen sie die Rede, die auf der Hauptversammlung 2020 der Bayer AG nicht zu hören sein wird:
„Sehr geehrter Herr Baumann,
Vor einem Jahr habe ich bereits bei der Bayer-Hauptversammlung gesprochen und Bayers Geschäftsmodell kritisiert. Und mit meiner Kritik war ich – auf der ersten Hauptversammlung nach der Monsanto-Übernahme – bei weitem nicht allein.
Dieses Jahr versuchen Sie als Bayer Konzern, sich dieser Kritik zu entziehen. Die Corona-Krise wird ausgenutzt, um bei einer Online-Hauptversammlung die kritischen Stimmen aus Deutschland, aber auch aus Ländern wie Brasilien, auszublenden. Aber auch, wenn wir dieses Jahr zu Hause bleiben, bleiben wir nicht still! Unsere Kritik bekommen Sie, Herr Baumann, ob live oder virtuell, deutlich zu hören.
Denn Bayer vertreibt in Brasilien und Südafrika 15 Wirkstoffe, die in der EU nicht genehmigt sind. Davon sind fünf Wirkstoffe aufgrund ihrer Gefährlichkeit für Mensch und Umwelt explizit verboten. Es handelt sich dabei um die Wirkstoffe Carbofuran, Fenamidon, Propineb, Thiodicarb und Thiram. Vier von diesen Wirkstoffen sind dabei auf der Liste hochgefährlicher Pestizide des Pestizid Aktions-Netzwerks.
Doch was bedeutet das für die Menschen in Brasilien und Südafrika? Betroffen sind hier längst nicht nur Bäuerinnen und Bauern, sondern vor allem auch Arbeiterinnen und Arbeiter auf Plantagen und die lokale Bevölkerung in den Anbaugebieten. In Brasilien werden die Pestizide zum Teil aus dem Flugzeug ausgebracht und so ganze Dörfer indigener Gruppen vergiftet.
Bayer versteckt sich vor diesen Vorwürfen gern mit dem Argument der sicheren Anwendung. Doch eine sichere Anwendung von Pestiziden ist für viele Arbeiterinnen und Bauern im globalen Süden genauso schwer umsetzbar wie das „social distancing“ in der Corona-Krise. Viele Kleinbauern können sich die notwendige Ausrüstung gar nicht leisten. Und viele Landarbeiterinnen werden so sehr ausgebeutet, dass ihnen nicht einmal die nötige Schutzkleidung vom Arbeitgeber bereitgestellt wird.
Anders als ein unkontrollierbares Virus wie Corona ist die Vergiftung von Menschen mit Pestiziden zu 100 Prozent vermeidbar und Sie tragen als zweitgrößter Pestizidhersteller der Welt Verantwortung dafür, dass vor allem im globalen Süden jährlich zehntausende Menschen an Pestizidvergiftungen sterben und viele weitere Menschen chronische Gesundheitsschäden erleiden.
Deshalb fordern wir Bayer auf: Warten Sie nicht darauf, dass die Bundesregierung die Herstellung und den Export hier verbotener Pestizidwirkstoffe untersagt – nehmen Sie schon jetzt diese Wirkstoffe aus dem Produktportfolio, und zwar weltweit!“
Gefördert durch Brot für die Welt aus Mitteln des Kirchlichen Entwicklungsdienstes, die Landesstelle für Entwicklungszusammenarbeit des Landes Berlin sowie durch Engagement Global im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ).