Südlink-Magazin

Kratzer im Hochglanzlack

Elektromobilität verspricht sauberen Verkehr. Der Abbau der Rohstoffe für die Batterien lässt daran Zweifel aufkommen, wie das Beispiel der Kobaltförderung im Kongo zeigt

von Beate Schurath
Veröffentlicht 14. SEPTEMBER 2018

Ohne Kobalt gibt es keine Batterien für Elektromobilität. Weltweit wichtigstes Abbauland des Erzes ist die Demokratische Republik Kongo. Die Arbeitsbedingungen sind katastrophal, die Umwelt wird zerstört. Doch die Autoindustrie will kaum Verantwortung für diese Missstände übernehmen und stellt sich gegen verbindliche Regeln für eine menschrechtliche Sorgfalt. Auch die Bundesregierung setzt auf Freiwilligkeit. Es ist an der Zeit, dies zu ändern.

Dass zivilgesellschaftliche Organisationen rund 70 Jahre nach der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte weltweit immer noch darum kämpfen müssen, dass international agierende Unternehmen diese Menschenrechte im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit aktiv wahren, ist unerträglich. Unternehmerische menschenrechtliche Sorgfalt – ein Instrument, um proaktiv und systematisch festzustellen, wo Menschen durch das Handeln eines Unternehmens ein Schaden entsteht und diesem durch geeignete Maßnahmen entgegenzuwirken – sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Im kapitalistischen Wirtschafts- und Denksystem des 21. Jahrhunderts ist es dies leider nicht. Menschenrechte geraten systematisch unter Druck, konkurrieren mit dem Primat der Profitmaximierung und verlieren in den meisten Fällen.

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So auch, wenn im Kongo für die Autobatterien der gesamten Welt Kobalt abgebaut wird. Radioaktive Belastung in Wohnsiedlungen, die Zerstörung von Schutzgebieten, schwerwiegende Lungenerkrankungen, der Verlust von Land und Trinkwasser, 43-fach erhöhte Kobaltgehalte im Blut von Anwohner*innen rund um die Abbaugebiete: das Schürfen, Rösten, Verschlacken, Auslaugen und Erhitzen von Kobalt bringt gravierende Verletzungen der Rechte von Umwelt und Mensch mit sich. Doch weil all das räumlich weit weg vom makellos fahrenden Endprodukt passiert, werden deutsche Unternehmen, die das gewonnene Kobalt in Form von Batteriezellen bei chinesischen Konzernen einkaufen und beispielsweise im neuesten Modell eines glänzenden E-Golfs verbauen, noch zu selten in Verbindung gebracht mit dem, was am Anfang ihrer Zulieferkette passiert.

2011 hatte der UN-Menschenrechtsrat die Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte verabschiedet. Diese Prinzipien sind konkret und lassen nicht viele Fragen offen: Unternehmen sollen sicherstellen, dass sie weder indirekt noch direkt zu Menschenrechtsverletzungen beitragen; Staaten sollen die Menchenrechte aktiv schützen und gewährleisten und Zugang zu Beschwerdemechanismen schaffen.

Der politische Wille fehlt
Nichts von alledem ist kompliziert, wäre der Wille da. Lieferketten sind nachvollziehbar, das räumen inzwischen sogar viele Unternehmen ein. Aber die Bundesregierung macht keinen Druck auf die Unternehmen, aktiv für eine ‚gesunde’ Lieferkette zu sorgen. Welchen Stellenwert er der menschenrechtlichen Verantwortung entlang der Lieferkette beimisst, signalisierte Bundesminister Peter Altmaier beim Jahres-Kongress des BDI im Juli 2018 mit den Worten „Ich will Sie jetzt nicht mit Sorgfaltspflichten beschallen.“

Deutschland hat zur Umsetzung der UN-Leitprinzipien Ende 2016 einen Nationalen Aktionsplan verabschiedet, dabei aber die wichtigsten Eckpfeiler außen vor gelassen: Die Verbindlichkeit der menschenrechtlichen Sorgfalt für Unternehmen festzuschreiben und sie haftbar zu machen, wenn sie Menschenrechte missachten. Zähe Verhandlungen schufen einen zahnlosen Tiger, der der effektiven Wahrung der Menschenrechte kaum zu dienen vermag.

Was genau könnte menschenrechtliche Sorgfalt im Fall von Kobalt konkret leisten? Zunächst müsste ein endverbrauchendes deutsches Automobil-Unternehmen seine Unternehmensverantwortung auch über die schlussendliche Produktionsstätte hinaus begreifen. Menschenrechtswidriges Verhalten anderer Akteure entlang der Zulieferkette, zum Beispiel gegenüber kongolesischen Minenarbeitern muss es dann als mittelbare Folge seiner Unternehmenspraxis anerkennen und für die Konsequenzen einstehen. Wenn das in Batteriezellen enthaltene Kobalt also im E-Golf, E-Tron Quatro oder im BMW i3 verbaut wird, müssten sich VW, Audi und BMW auch dem verseuchten Trinkwasser am Anfang der Lieferkette stellen, auch wenn sie die Schwermetalle nicht selbst in das Grundwasser eingeleitet haben. Wer Kobalt verbaut, ist verantwortlich.

Bislang ist das Theorie. Die großen Automobilhersteller wissen um die Risiken beim Kobaltabbau. Doch anstatt für bessere Arbeitsbedingungen zum Beispiel im kongolesischen Kleinbergbau zu sorgen, besteht die Strategie derzeit oft darin, zu vermeiden, Kobalt direkt aus dem Kleinbergbau zu beziehen, wenn dort Kinderarbeit vermutet wird. Dabei wissen die Unternehmen, dass ein Viertel der gesamten Kobaltmenge über den Schwarzmarkt vom artisanalen in den industriellen Sektor eingeschleust wird. Ein kongolesischer Angestellter der Huayou Cobalt Company, einem der größten chinesischen Handelshäuser im Kongo, beschrieb France 24 gegenüber Anfang dieses Jahres: „Egal, wie hoch die Qualität oder der Kobaltgehalt des Gesteins sind, hier wird alles aufgekauft. Der Schwarzmarkt funktioniert hervorragend, er ist gut organisiert.“

Den Unternehmen geht es vor allem darum, nach außen hin ihre Weste reinzuhalten. Doch sie tun nichts gegen die zahlreichen Menschenrechtsverletzungen, die sowohl im artisanalen als auch im industriellen Sektor an der Tagesordnung sind. Bis heute gibt es kaum „sauberes“ Kobalt.

Die politische Debatte trägt zu diesem Fehlverständnis menschenrechtlicher Sorgfalt bei. Wie sehr dient es den Menschenrechten, wenn Ratgeber des Global-Compact-Netzwerks Unternehmen mit wirtschaftlichen Vorteilen für menschenrechliche Sorgfalt motivieren, wie der „Vermeidung von operativen, rechtlichen und Managementkosten“ oder einer „verbesserten Kreditwürdigkeit“? Bei dieser Herangehensweise wird menschenrechtliche Sorgfalt bereits verwässert, bevor sie umgesetzt wird.

Einige Automobil-Unternehmen haben sich Industrieinitiativen wie Responsable Cobalt, Global Battery Alliance und Cobalt Due Diligence mit dem Ziel angeschlossen, die Transparenz in der Lieferkette zu erhöhen. Das ist ein guter erster Schritt, aber keiner, auf dem man sich ausruhen darf. Es reicht nicht, wenn Daimler in Katanga einen Supply Chain Walk organisiert, dabei Helme an Kleinschürfer verteilt und freundliche Gespräche mit Minenarbeitern führt, während deren Kinder weiterhin extrem erhöhte Kobalt-, Cadmium- und Bleikonzentrationen in Urinproben aufweisen – und dies früher oder später ihre Gesundheit zerstört.

Ein wesentliches Element, um Menschenrechte effektiv zu schützen, ist der Zugang zu Beschwerdemechanismen. Solche existieren in Katanga noch nicht. Wenn ein Minenarbeiter eine schwerwiegende Lungenerkrankung erleidet, weil er tagtäglich Schwermetalle einatmet, an wen wendet er sich dann? Ein funktionierender Beschwerdemechanismus könnte der Anfang sein für Gerechtigkeit. Ein zweiter Schritt, den die Bundesregierung noch zu gehen hat, wäre die Einführung ernsthafter Sanktionen, denn ohne dieses juristische Mittel lässt sich kein ausreichender Handlungsdruck aufbauen.

Klar ist: Menschenrechtliche Sorgfalt kann nicht die bereits existierende Radioaktivität vermindern. Sie wird vermutlich auch nicht den Einsatz von Schwermetallen zur Rohstoffgewinnung verhindern können und verändert keine Machtstrukturen im Extraktionsgeschäft. Auch diversifiziert sie nicht die Wirtschaftsgrundlagen und stellt den Abbau von Kobalt als Hauptwirtschaftsfaktor für den Kongo nicht in Frage. Ebensowenig verhilft sie kongolesischen Kleinschürfern zur Souveränität über ihre Lebensgrundlagen.
Menschenrechtliche Sorgfalt, wie sie derzeit diskutiert wird, hat also Grenzen. Aber sie kann einen wichtigen Beitrag leisten, um im bestehenden System mehr Augenhöhe und Respekt zwischen Produzenten und Profiteuren zu etablieren und all den großen Konzernen, die bislang im täglichen Geschäftsgebahren Ignoranz gegenüber Menschenrechten an den Tag legen, wirkungsvoller entgegentreten zu können.

Mehr Batterien, mehr Kobalt, mehr Verantwortung
Wir werden zukünftig nicht weniger, sondern mehr mit Kobalt zu tun haben und damit auch mehr Verantwortung übernehmen müssen. Ende 2017 startete der Vizepräsident der EU-Kommission Maroš Šefčovič eine Initiative zum Aufbau einer Batterie-Allianz mit allen Akteuren der europäischen Wertschöpfungskette. Millionen von Batterien werden zukünftig gebraucht, ein bedeutender Wirtschaftsfaktor kann aufgebaut werden.

Das Industriekonsortium TerraE plant eine Großserienfertigung von Lithium-Ionen-Zellen. In einem für die Batterie-Initiative geschaffenem Aktionsplan verspricht die EU den beteiligten Akteuren die Gewährleistung des Zugangs zu Rohstoffen. Je weiter vorn deutsche Konzerne in der Lieferkette mitmischen, desto schwieriger dürfte es für sie werden, Verantwortung abzulehnen. Batteriezellen aus deutscher Produktion mit menschenrechtlich hochkritischem Kobalt lassen sich schlechter verkaufen, wenn man sich nicht mehr auf die chinesischen Zulieferer berufen kann.

Wir hätten viel gewonnen, wenn wir mit Unternehmen über die Menschenrechte, einen Standard, auf den sich die internationale Gemeinschaft bereits geeinigt hat, nicht ständig neu diskutieren müssten. Dass Unternehmen als Kehrseite ihrer Freiheiten am Markt auch strafrechtliche Verantwortung für Kriminalität tragen müssen, ist plausibel. Unternehmerische menschenrechtliche Sorgfalt ist kein Extra, sondern das Mindeste, was es zu tun gibt, wenn Unternehmen und Menschen aufeinandertreffen. Unternehmerische menschenrechtliche Sorgfalt ist schlicht und einfach eine Frage der Würde. Damit das Instrument menschenrechtlicher Sorgfalt seine volle Wirkung entfalten kann, muss es verbindlich werden. Dafür zu sorgen, ist Aufgabe der Bundesregierung.

Zur Autorin

Beate Schurath ist Referentin für Ressourcengerechtigkeit bei INKOTA und widmet sich der Frage, wie bei der Rohstoffnutzung für Zukunftstechnologien, Industrie 4.0 und Elektromobilität menschenrechtliche und ökologische Standards garantiert werden können.

Beate Schurath ist Referentin für Ressourcengerechtigkeit bei INKOTA und widmet sich der Frage, wie bei der Rohstoffnutzung für Zukunftstechnologien, Industrie 4.0 und Elektromobilität menschenrechtliche und ökologische Standards garantiert werden können.

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