Südlink-Magazin

Vom Strauch in die Tasse

Kaffee wird weltweit konsumiert, aber die Gewinne beim Anbau, der Verarbeitung und dem Handel sind höchst ungleich verteilt 

von Friedel Hütz-Adams
Veröffentlicht 2. SEPTEMBER 2024

Kaffee ist ein typisches Kolonialprodukt, bei dessen Anbau seit Jahrhunderten nur selten Rücksicht genommen wird auf die Natur und die Menschen, die in den Kaffeeplantagen arbeiten. Heute wird der Kaffeemarkt von wenigen großen Unternehmen beherrscht. Zugleich bekommen Millionen Kleinbauern und Kleinbäuerinnen keine existenzsichernden Preise für ihren Kaffee. Doch es geht auch anders. Sowohl im Anbau, als auch in der Verarbeitung und im Handel mit Kaffee gibt es Beispiele für soziale und ökologische Nachhaltigkeit. 

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Südlink 209 - Kaffee
Von Ausbeutung und dem Kampf für faire Preise
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Südlink 209 - Kaffee
Von Ausbeutung und dem Kampf für faire Preise
Weltweit wird heute Kaffee konsumiert. Seine Anbaubedingungen haben sich seit den Kolonialzeiten jedoch nur wenig verändert. Selten nur wird Rücksicht genommen auf die Natur und die Menschen, die in den Kaffeeplantagen…

Der Name Kaffee stammt aus dem Arabischen und wurde aus den Worten „Kahwe“ oder „Qahwa“ abgeleitet. Diese bedeuten in etwa Lebenskraft, Stärke. Im Jemen wurden bereits im 14. Jahrhundert Kaffeeplantagen betrieben, die Anfänge des Anbaus liegen noch einige Hundert Jahre früher. Äthiopien kann auf eine mindestens ebenso lange Kaffeetradition zurückblicken. Beide Staaten streiten darüber, ob Kaffee letztendlich aus ihrem Land stammt. 

Ab dem 15. Jahrhundert verbreitete sich der Genuss von Kaffee zuerst über den gesamten arabischen Raum, dann innerhalb des Osmanischen Reiches und noch darüber hinaus. Bis ins 17. Jahrhundert wurde Kaffee vor allem im Jemen angebaut, danach wurde er zu einem globalen Produkt – sowohl was den Anbau als auch was die Nachfrage betrifft – und Teil kolonialer Herrschafts- und Ausbeutungsmechanismen. Um die schnell steigende Nachfrage in Europa zu decken, brachten die Kolonialmächte Kaffee nach Asien, Lateinamerika sowie Westafrika und forcierten dort den Aufbau von Plantagen. 

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Die Kolonialzeit mag zu Ende sein, doch viele der Probleme im Kaffeesektor haben sich nicht geändert. Dies beginnt bei den massiven ökologischen Auswirkungen der stetigen Vergrößerung der Anbauflächen: große Teile der Millionen Hektar, auf denen heute Kaffee wächst, waren einst Wälder, die für dessen Anbau gerodet wurden.  

Sehr schlecht ist in vielen Regionen auch die soziale Situation der Menschen, die im Kaffeesektor arbeiten. Die Pflege der Plantagen und die Ernte sind weiterhin in fast allen Anbauländern reine Handarbeit. Die Kaffee anbauenden Familien haben keinerlei Einfluss auf den Weltmarktpreis. In Jahren mit einer weltweit guten Ernte sind die Preise oft so niedrig, dass kaum die Produktionskosten gedeckt, geschweige denn existenzsichernde Einkommen erzielt werden können. Selbstausbeutung, Kinderarbeit und auch die Ausbeutung von Hilfskräften sind weit verbreitet.  

Die größeren Plantagen beschäftigen meist nur wenige Dauerarbeitskräfte und darüber hinaus eine große Zahl von Aushilfskräften während der Erntezeit, die oft als Tagelöhner*innen im Akkord arbeiten. Eine Vielzahl von Studien und Berichten belegt, dass diese Beschäftigten häufig sehr wenig verdienen und unter sehr prekären Arbeitsverhältnissen leiden. 

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Mehr als nur zwei Sorten Kaffee 

Häufig wird nur zwischen zwei Sorten Kaffee unterschieden, Arabica und Robusta, die zusammen für mehr als 95 Prozent der weltweiten Kaffeeproduktion stehen. Doch die Kaffeepflanze mit dem botanischen Namen Coffea umfasst rund 500 Gattungen, über 6.000 Arten und noch viel mehr Unterarten. Kaffeebäume können bis zu vier Meter hoch werden, werden jedoch auf den Plantagen meistens deutlich kleiner geschnitten oder sogar auf die Größe eines Strauches getrimmt. Die Kaffeepflanze stellt sehr spezifische Ansprüche an klimatische Voraussetzungen und Böden.  

Die Art des Anbaus ist weltweit sehr unterschiedlich. Teilweise wird extensiv gewirtschaftet und Kaffeebäume werden mit vielen anderen Pflanzen vermischt angebaut oder sogar Wildpflanzen im Wald abgeerntet. In anderen Anbaugebieten, und dies ist heutzutage am weitesten verbreitet, gibt es dagegen intensiv betriebene Plantagen. Diese können sowohl Kleinbäuerinnen und Kleinbauern gehören, die auf sehr kleinen Flächen arbeiten, als auch Großgrundbesitzer*innen oder in Einzelfällen dem Staat, die sehr großen Flächen betreiben. Schätzungen zufolge leben weltweit zwölf Millionen Menschen vom Anbau von Kaffee auf eigenen Feldern, noch einmal die gleiche Anzahl von Menschen verdient zumindest einen erheblichen Teil ihres Einkommens als Beschäftigte auf Plantagen. In vielen Regionen ist Kaffee ein sehr wichtiges Anbauprodukt und die Einkommen der Familien und damit auch ihre Lebensumstände hängen weitgehend vom Kaffeepreis sowie dem Umfang der Ernte ab. 

Je nach vorherrschender Anbaumethode sind die durchschnittlichen Erträge pro Hektar sehr unterschiedlich. Während in Vietnam im Durchschnitt mehr als 2,5 Tonnen Kaffee pro Hektar geerntet werden, sind es in Brasilien etwa zwei Tonnen, in Honduras oder Nicaragua rund eine Tonne und in vielen anderen Ländern wesentlich weniger. 

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Auf die Verarbeitung kommt es an 

Für die Qualität des Kaffees ist wichtig, wie die Bohnen geerntet werden. Optimalerweise werden die roten Kirschen einzeln gepflückt, was einen erheblichen Aufwand bedeutet, denn die Früchte werden über Wochen verteilt reif. Es muss daher mehrfach gepflückt werden, wenn tatsächlich nur die roten Kirschen im Korb landen sollen. Teilweise werden aber auch reife und unreife Kirschen gleichzeitig geerntet, insbesondere dort, wo Erntemaschinen eingesetzt werden. Das vermindert zwar die Qualität des Endproduktes deutlich, doch auch für schlechtere Qualitäten gibt es einen Markt. 

Die Kaffeekirschen sind nicht lange haltbar und daher nur begrenzt transportfähig. Meist wird binnen Stunden nach der Ernte mit Maschinen das Fruchtfleisch entfernt und die Bohnen werden anschließend gewaschen und in Wasser fermentiert. Es ist aber auch möglich, die komplette Kirsche in der Sonne zu trocknen und das Fruchtfleisch erst später mit Maschinen zu entfernen. In einem weiteren Schritt wird die Pergamenthaut, die die Bohnen umgibt, entfernt. Anschließend werden die Bohnen gesäubert und nach Größen und Farben sortiert, um einheitliche Qualitäten zu erhalten. Dies geschieht meist per Hand, doch es gibt mittlerweile auch für diesen Arbeitsschritt Maschinen.  

Um ihren Geschmack zu erhalten, müssen die Bohnen geröstet werden. In der Regel findet das in den Ländern statt, in denen sie konsumiert werden, da geröstete Bohnen binnen weniger Monate einen Teil ihres Aromas verlieren. In diesem Röstprozess findet eine Vielzahl von chemischen Veränderungen in den Bohnen statt. Daher hat die Art der Röstung großen Einfluss auf den Geschmack des fertigen Kaffees sowie auf die Möglichkeiten, wie dieser verwendet werden kann.  

Während der Röstung verändert sich die Farbe der Bohnen. Hellere Röstungen schmecken in aller Regel milder und sind beispielsweise für Filterkaffee geeignet, dunklere dagegen für Espresso. Mahlgrad und Zubereitung (Filterkaffe, Espresso, Kapseln und Pads) beeinflussen ebenfalls den Geschmack. 

Konsument*innen in Deutschland erwarten einen ganz bestimmten Geschmack, wenn Sie ihre bevorzugte Kaffeesorte kaufen. Um diesen Geschmack zu erzielen, werden Bohnen aus verschiedenen Regionen miteinander vermischt. Das Mischungsverhältnis wechselt immer wieder, je nachdem, welches Aroma und welche Qualität die Kaffeebohnen im Laufe einer Erntesaison aus den Anbauregionen mitbringen.  

Wo der Kaffee angebaut und wo er getrunken wird  

Die ursprünglichen Anbaugebiete haben nur noch einen verschwindend kleinen Anteil am Weltmarkt. Rund die Hälfte der Ernte stammt heute aus Lateinamerika, gefolgt von Asien und Ozeanien. Rund 55 Prozent der Welternte besteht aus Arabica-Bohnen und 45 Prozent aus Robusta-Sorten. Während Brasilien schon seit vielen Jahrzehnten das wichtigste Kaffeeanbauland ist, aus dem mehr als ein Drittel der weltweiten Ernte kommt, hat sich Vietnam erst seit 1990 zum inzwischen zweitgrößten Kaffeeanbaugebiet der Welt entwickelt.  

Neben der kleinbäuerlichen Produktion wird in Brasilien ein erheblicher Teil des Kaffees auf relativ ebenen Flächen im Hochland angebaut, die sich für den Einsatz von Maschinen eignen. Daher ist es in Brasilien zumindest für einen Teil der Ernte gelungen, den Hauptkostenanteil bei der Ernte, die Ausgaben für Arbeitskräfte, massiv zu senken. Letztendlich führte dies dazu, dass sich der Weltmarktpreis für Arabica-Kaffee an den Erntemengen und Anbaukosten in Brasilien orientiert.  

Zwar ist die EU weiterhin mit Abstand der größte Kaffeekonsument, gefolgt von den USA. Doch gleich dahinter folgt bereits das Anbauland Brasilien. Weitere wichtige Konsumländer sind – mit großem Abstand – Japan, die Philippinen, China, Kanada und Indonesien. 

Innerhalb der EU ist Deutschland der bei weitem größte Markt für Kaffee. In den Jahren 2020 bis 2022 entfielen nach Angaben des Europäischen Kaffeeverbandes 36,8 Prozent aller Kaffeeeinfuhren in die EU auf Deutschland (1,08 Millionen Tonnen). Es folgen Italien mit einem Anteil von 22,1 Prozent, Belgien (12,8%) und Spanien (8,7%). Mehr als die Hälfte des Kaffees kam aus Brasilien und Vietnam, gefolgt mit weitem Abstand von Honduras, Äthiopien und Peru. 

Deutschland verbraucht nicht nur viel Kaffee, sondern ist auch eine wichtige Handelsdrehscheibe dafür. Der meiste Kaffee kommt über den Hamburger Hafen nach Deutschland, gefolgt von Bremen und Bremerhaven. Hier zeigt sich, wie groß die Wertschöpfung entlang der Lieferkette ist: Deutschland exportiert einen Teil des Rohkaffees direkt weiter, doch große Mengen werden auch geröstet und verpackt, bevor sie das Land wieder verlassen. Dabei erzielte Deutschland im Jahr 2023 Exporteinahmen in Höhe von 3,4 Milliarden US-Dollar im Jahr 2023. 

Wer kontrolliert die Wertschöpfungskette? 

Bäuerinnen und Bauern verkaufen ihren Kaffee in aller Regel an Händler*innen oder, sofern sie sich organisiert haben, zu einem kleineren Anteil an Kooperativen. In vielen Ländern verkaufen die Händler den Kaffee danach über Auktionen an Exporteur*innen, wobei diese auch direkt bei Kooperativen, Zwischenhändler*innen oder großen Plantagen kaufen.  

Nur sechs Unternehmen kontrollieren rund die Hälfte des globalen Kaffeehandels, wobei die Hamburger Neumann Kaffee Gruppe mit rund zwölf Prozent Marktanteil am weltweiten Umsatz die größte ist. Wie lukrativ das Geschäft ist, zeigt auch dass in den vergangenen 15 Jahren ein zweistelliger Milliardenbetrag für die Übernahme von Firmen ausgegeben worden ist.  

Nicht nur der internationale Kaffeehandel, sondern auch der deutsche Kaffeemarkt wird von einer kleinen Gruppe Unternehmen beherrscht. Die Röstung und der Vertrieb von Kaffee wird hierzulande von sechs Unternehmen dominiert, die rund 70 Prozent des Marktes bedienen. Im Jahr 2021 war Tchibo mit einem Anteil von 19 Prozent Marktführer, gefolgt von Jacobs Douwe Egberts JDE Peets (18%), Dallmayr (11%), Melitta (8%), Lavazza (8%) und Darboven (6%). Die Eigenmarken der Supermarktketten machen weitere 22 Prozent des Umsatzes aus. 

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Der deutsche Markt ist bekannt für seine harten Preiskämpfe bei Kaffee. Eine aktuelle Analyse des französischen Instituts BASIC (The grounds for sharing. A study of value distribution in the coffee industry) zeigt detailliert auf, wie breit gefächert der Markt ist. Große Mengen Kaffee werden über Sonderangebote abgesetzt sowie über die Eigenmarken der Supermärkte. Um Kund*innen in die Läden zu locken, werden teilweise sogar Preise aufgerufen, die keinerlei Gewinnspannen mehr ermöglichen. Dafür sind die Gewinnmargen in anderen Bereichen sehr hoch.  

Im Jahre 2021 lag der durchschnittliche Verkaufspreis für ein Kilogramm Kaffee bei 9,71 Euro quer über alle Formate hinweg. Kaffee in Kapseln und Pads dagegen schlug selbst bei den Eigenmarken der Supermarktketten mit 26,3 Euro pro Kilo zu Buche, bei den Marken sogar mit 35,98 Euro.  

Innerhalb der Wertschöpfungskette zeigt sich eine relativ gleiche Verteilung zwischen Anbau, Handel und Röstung sowie Einzelhandel. Allerdings zeigen die Berechnungen von BASIC, dass die gesamte Preissetzung ohne jede Berücksichtigung der Produktions- und Lebenshaltungskosten der Bäuerinnen und Bauern stattfindet. Fällt die Ernte gut aus, sinkt der Preis für Rohkaffee an den beiden größten Kaffeebörsen in New York und London und damit am gesamten Weltmarkt stark. In vielen Jahren reichte der Preis nicht dazu aus, um die Produktionskosten zu decken und den Menschen in den Anbauländern existenzsichernde Löhne und Einkommen zu ermöglichen.  

Die großen Unternehmen sichern sich über Börsengeschäfte gegen diese Preisschwankungen ab. Bäuerinnen und Bauern dagegen haben keine Möglichkeit, ihre Einkommen auch nur von einem Jahr zum anderen kalkulieren zu können. Die in der Wertschöpfungskette beteiligten Unternehmen nehmen somit keinerlei Rücksicht auf die Belange der Bäuerinnen und Bauern.  

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Mehr Rücksicht auf Natur und Kaffeebauern ist nötig 

Bislang konnten die Unternehmen auf dem deutschen Markt ökologische und soziale Folgen der Art und Weise, wie Kaffee angebaut und gehandelt wird, weitestgehend ignorieren. Dies könnte sich massiv ändern. Die Entwaldungsverordnung der EU, die Ende des Jahres in Kraft tritt, und gegen die sich der Kaffeesektor in Deutschland massiv wehrt, fordert eine lückenlose Nachverfolgbarkeit der Herkunft des Kaffees. Wird die Verordnung so umgesetzt wie geplant, werden soziale Missstände in den Anbaugebieten ebenso wie ökologische Probleme direkt mit den hiesigen Firmen in Verbindung zu bringen sein.  

Um die Wertschöpfungskette für alle Beteiligten dauerhaft nachhaltig zu gestalten, muss der Sektor weg von einem an der Börse gemachten Weltmarktpreis und hin zu langfristigen Beziehungen zwischen Produzent*innen und Unternehmen sowie einer Preisgestaltung, die den Bauern und Bäuerinnen existenzsichernde Einkommen und einen nachhaltigeren Anbau ermöglicht. 

 

Friedel Hütz-Adams arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter beim SÜDWIND-Institut in Bonn. 

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