Angelique Karekezi und ihre Mitarbeiterin auf eine Kafeeplantage
Südlink-Magazin

„Das ist wirkliche Nachhaltigkeit“

Interview mit Angelique Karekezi über die Herausforderungen, wie man Kaffee in Deutschland zu einem Preis verkauft, von dem auch die Bäuerinnen in Ruanda profitieren 

von Simone Schlindwein
Veröffentlicht 2. SEPTEMBER 2024

Angelique Karekezi ist die Vorsitzende der ruandischen Frauenkooperative RWASHOSCCO und seit über 20 Jahren im Kaffee-Geschäft. Ihre neue Marke „Angeliques Finest“ ist in Deutschland zu einem etwas höheren Preis erhältlich, der den Bäuerinnen in Ruanda ein faires Einkommen ermöglicht. Dafür wurde sie nun ausgezeichnet.   

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Cover Südlink 209 Kaffee
Südlink 209 - Kaffee
Von Ausbeutung und dem Kampf für faire Preise | September 2024
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Südlink 209 - Kaffee
Von Ausbeutung und dem Kampf für faire Preise | September 2024
Weltweit wird heute Kaffee konsumiert. Seine Anbaubedingungen haben sich seit den Kolonialzeiten jedoch nur wenig verändert. Selten nur wird Rücksicht genommen auf die Natur und die Menschen, die in den Kaffeeplantagen…

Sie haben im Juni in Deutschland den Fairtrade-Preis in der Kategorie Klima-Held*innen erhalten. Wie haben die ruandischen Kaffeebäuerinnen bei ihrer Rückkehr reagiert?  

Dass unsere ruandischen Bäuerinnen eine Auszeichnung erhalten, ist einfach unglaublich. Wir haben alle gemeinsam gefeiert. Es war ein ganz besonderer Moment. Ich erinnere mich noch genau an den Tag, als wir eine spezielle Kaffee-Marke zum Thema Klimawandel ins Leben riefen. Wir wollten einfach etwas Neues schaffen. Auf den Farmen haben wir Kaffeesträucher mit Schattenbäumen gemischt und Gemüse auf dem Boden gepflanzt, um den Boden zu schützen, damit die Feuchtigkeit während der extremen Trockenzeit, die wir derzeit erleben, erhalten bleibt. Daraus ist unsere spezielle Marke des Klima-Kaffees entstanden.  

Mit diesem Preis zeigt sich, dass wir die Wünsche der Verbraucher*innen erfüllen. Warum? Weil die Herausforderungen des Klimawandels nicht nur auf Produktionsseite bestehen, sondern jeder die Auswirkungen bereits erlebt. Die Frauen waren sehr glücklich, denn die Unterstützung, die wir aus Deutschland erhalten, wird die Kapazität der Kooperative zusätzlich stärken. 

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Ihre Kaffeemarke ist in Deutschland unter dem Namen „Angeliques Finest“ zu erhalten und ist deutlich teurer als andere Kaffeesorten. Ein Kilo Espresso kostet bis zu 30 Euro. Er gilt als sogenannter Spezialitätenkaffee. Wie vermarkten Sie ihren Kaffee?  

Wir haben unterschiedliche Vertriebsmöglichkeiten. Zum einen ganz traditionell den direkten Verkaufsweg über Kundenbindung, zum anderen online, mit einer Blockchain-Technologie, über die wir die ganze Lieferkette nachvollziehen können. Wir haben auch unterschiedliche Kunden. Die einen sind Individuen, die gerne einen besonderen Kaffee genießen. Die anderen sind Supermärkte, Firmen oder auch Restaurants und Shops.  

In unserer Marketingstrategie lassen wir die Frauen in Ruanda ihre Geschichte erzählen und wir erklären den Kunden, dass wir mit dem Verkaufspreis den Kreis wieder schließen, indem mehr Geld bei den Bäuerinnen ankommt. Normalerweise kaufen die Röstereien die Bohnen zu einem niedrigen Preis ein. Sobald er dann geröstet und verpackt ist, wird eine Tasse Kaffee dann für zwei oder drei Euro an die Konsument*innen verkauft.  

Die größte Wertschöpfung findet also in diesem Bereich statt. Doch davon bekommen die Bäuerinnen fast gar nichts ab. Wir geben den Bäuerinnen quasi ein zweites Einkommen, indem wir sie direkt am Verkaufspreis teilhaben lassen, und diese können die Extraeinnahmen verwenden, um zu investieren, was ihr Leben deutlich verbessert. Das macht unseren Kaffee zu etwas einzigartigem. Das ist wirkliche Nachhaltigkeit.  

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Ihr Kaffee wird in Ruanda fast ausschließlich von Frauen angebaut. Welche Herausforderungen gibt es vor allem für Frauen im weltweiten Kaffeesektor?  

Ich habe an der Universität Wirtschaft studiert und arbeite seit 2003 im Kaffeebusiness, ich kann also auf 21 Jahre Erfahrungen zurückblicken. Seitdem ich angefangen habe, hat sich sehr viel verändert. Zu Beginn waren Kaffeeproduzent*innen in Ruanda auf sich allein gestellt. Sie haben den Kaffee alleine angebaut, verarbeitet und dann verkauft. Damals gab es noch ein Monopol in Ruanda. Eine Firma, die zum Teil dem Staat gehörte, hat den Kaffee dann zu einem fixen Preis exportiert.  

Als wir damals angefangen haben, unseren eigenen Spezialitätenkaffee zu verkaufen, hatten wir viele Hürden zu bewältigen. Zunächst mussten wir die Qualität verbessern. Das geschieht nicht so sehr im Verarbeitungsprozess, sondern vor allem beim Anbau. Wir mussten also die Bauern und Bäuerinnen schulen, wie sie besseren Kaffee anbauen. Zur selben Zeit wurde in Ruanda der Kaffeesektor privatisiert und es gab dabei viele Herausforderungen. Wir wollten unsere eigene Rösterei und Verarbeitungsprozesse aufbauen. Dann kamen auch noch die Probleme mit dem Klimawandel hinzu, der unsere Arbeit besonders schwierig macht. Wir haben viele Dürrezeiten.  

Für Frauen ist das alles besonders schwer, denn sie stellen die Mehrheit im Bereich des Anbaus, aber nur eine Minderheit, wenn man sich den oberen Bereich der Wertschöpfungskette ansieht – also die Verarbeitung oder das Marketing. Es gibt dort viel zu wenig Frauen in den Entscheidungspositionen. Wir hingegen versuchen, den Beitrag der Frauen hervorzuheben und daraus wieder ein Familienunternehmen zu machen, was auch die Frauen wertschätzt.  

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Mittlerweile wird auch in Afrika selbst sehr viel mehr Kaffee konsumiert, als dies früher noch der Fall war. Verkaufen Sie den Kaffee auch in Ruanda? 

Unseren Rohkaffee verkaufen wir vor allem international: von Deutschland bis nach Australien. Das macht sicher 95 Prozent unseres Geschäftes aus. Aber was unser Endprodukt angeht, also den gerösteten Kaffee, da wird nun der lokale Markt in Ruanda tatsächlich immer wichtiger. Den fertigen Kaffee weltweit zu vermarkten, ist nicht einfach, denn jedes Land hat seinen ganz eigenen Stil, wie es Kaffee konsumiert. Die Art, wie die Deutschen ihren Kaffee mögen, ist nicht dieselbe wie in Frankreich oder Italien – für all diese Märkte muss man den Kaffee ganz eigen produzieren und vermarkten. Um in diesem Bereich wettbewerbsfähig zu sein, muss man sehr viel Erfahrung haben.  

Dabei hilft Ihnen jetzt die Zusammenarbeit mit der deutschen Kaffee-Kooperative, die ihren Kaffee in Deutschland vertreibt. Wie kam diese Zusammenarbeit zustande? 

Es war wirklich wie ein Wunder, kann man fast sagen. Als die Gründer der Kaffee-Kooperative zum ersten Mal Ruanda besuchten, haben sie unseren Kaffee als Souvenir für ihre Familien und Freunde zu Hause in Deutschland gekauft, als Geschenk quasi. Deren positives Feedback hat dann den Ausschlag gegeben, uns zu kontaktieren. So ist die Überlegung entstanden, eine ganz neue spezielle Marke in Deutschland anzubieten. Schnell kam dann die Idee auf, einen Frauen-Kaffee zu vermarkten, denn unser Kaffee wird hauptsächlich von Frauen angebaut und ich arbeite schon seit vielen Jahren mit diesen Frauen. Wir haben deren Geschichten aufgeschrieben und daraus eine Marke kreiert – geschmacklich ganz auf den deutschen Markt zugeschnitten.  

 

Das Interview führte Simone Schlindwein 

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