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Covid-19-Studie: Indische Schuh- und Lederarbeiter*innen in dramatischer Lage

Regierungen und Unternehmen der globalen Schuhlieferketten wälzen die Kosten der Corona-Krise einseitig auf die Arbeiter*innen an den Produktionsorten ab. Das belegt eine neue Studie.

von Lena Janda
Veröffentlicht 12. JANUARY 2021

Extreme Einkommensverluste, fristlose Kündigungen, keine sozialen Sicherungssysteme – im Zuge der Covid-19-Pandemie bangen Arbeiter*innen der indischen Schuh- und Lederproduktion um die Sicherung ihrer täglichen Lebensgrundlagen. Das belegt die neue Studie „Wenn aus zu wenig fast nichts wird“, an der die indischen INKOTA-Partnerorganisationen Cividep und SLD mitgewirkt haben. Die Arbeiter*innen als schwächstes Glied der globalen Lieferkette leiden unter den Folgen der Pandemie am stärksten. Deshalb muss die deutsche Schuhindustrie endlich ihrer menschenrechtlichen Verantwortung gerecht werden und darf ihre Profite nicht länger auf Kosten der Arbeiter*innen machen.

Indische Arbeiter*innen in Not

Arbeiter*innen in der indischen Schuh- und Lederproduktion leiden aufgrund der Covid-19-Pandemie unter extremen Einkommensverlusten. Mehr als ein Drittel der Befragten erhielt während der intensiven Ausgangssperre drei Monate lang keinen Lohn. Die meisten von ihnen lebten in dieser Zeit in einem Haushalt ohne Einkommen. Auch nach dem Lockdown war eine Rückkehr an den Arbeitsplatz in vielen Fällen nicht möglich. Fast vierzig Prozent aller Befragten konnten ihre Beschäftigung nicht wiederaufnehmen, in zwei Dritteln der Fälle wurde ihnen gekündigt.

Studie: Wenn aus zu wenig fast nichts wird
Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf indische Arbeiter*innen der Schuh- und Lederherstellung
Studie: Wenn aus zu wenig fast nichts wird
Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf indische Arbeiter*innen der Schuh- und Lederherstellung
Extreme Einkommensverluste, fristlose Kündigungen, Verschuldung, kaum soziale Sicherungssysteme – das sind die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf Arbeiter*innen in der indischen Schuh- und Lederindustrie. Das zeigt die Studie „Wenn aus zu wenig fast nichts wird“. INKOTAs indische…

Zugang zu sozialen Sicherungssystemen ungenügend

Die Not der Arbeiter*innen wird durch die mangelhaften und schwer zugänglichen sozialen Sicherungssysteme in Indien verschärft. Mehr als die Hälfte der Befragten nahm während der Ausgangssperre Schulden auf, um Grundbedürfnisse wie Essen, Miete, Medizin oder die Stromrechnung zu bezahlen. Die staatlichen Sicherungs- und Nothilfesysteme erreichten die Arbeiter*innen nur sehr eingeschränkt.

Arbeitsrechte weiter eingeschränkt

Doch anstatt diesen Verhältnissen etwas entgegenzusetzen, werden die Rechte der Arbeiter*innen in Indien im Zuge der Covid-19-Krise weiter drastisch beschnitten. Im Zuge der Pandemie haben Regierungen verschiedener Bundesstaaten, darunter insbesondere das nordindische Uttar Pradesh, ihre Arbeitsschutzgesetzgebung nahezu vollständig ausgehebelt, um Unternehmen zu entlasten und die Standortattraktivität für ausländische Firmen zu erhöhen.

Strukturelle Missstände als Ursache für die Not der Arbeiter*innen

Die materielle Armut, schwache Interessenvertretung und besondere Verwundbarkeit der Arbeiter*innen der Schuh- und Lederproduktion während der Pandemie sind auf Missstände zurückzuführen, die seit Jahren bestehen, so die Ergebnisse der Studie. Nie war deutlicher, dass mangelnde Umsetzung der Menschenrechte bei der Arbeit und die niedrigen Löhne die Arbeiter*innen im Krisenfall unmittelbar in existenzielle Not stürzen und Gesellschaften destabilisieren.

Unternehmen müssen Verantwortung übernehmen

Die Schuhindustrie in Deutschland importierte im letzten Jahr 18,5 Millionen Paar Schuhe aus Indien. Deutschland ist damit das drittgrößte Abnahmeland von Schuhen aus Indien. Die durch die Corona-Pandemie verursachte Wirtschaftskrise trifft alle Akteure der globalen Lieferkette von Schuhen, jedoch die Schwächsten besonders hart. Die Risiken und Kosten der Krise dürfen nicht noch massiver auf die Arbeiter*innen in Indien abgewälzt werden! Unternehmen dürfen nicht ausnutzen, dass die indische Regierung den Arbeiter*innen weder ausreichend Schutz noch die international geltenden Arbeitsrechte gewährt. Unternehmen in Deutschland müssen endlich Verantwortung für ihre Lieferketten übernehmen und ihrer menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht gerecht werden. Geschäftspraktiken, die Ungleichheit ausnutzen und verstärken, dürfen sich nicht mehr lohnen. Dazu müssen die Wirtschaft, aber auch die politischen Entscheidungsträger ambitioniert und aktiv beitragen, zum Beispiel in Form eines wirksamen Lieferkettengesetz.

Für die Studie „Wenn aus zu wenig fast nichts wird“ haben die indischen Organisationen SLD und Cividep im Sommer 2020 115 Arbeiter*innen aus indischen Schuhfabriken und Gerbereien in den Bundesstaaten Uttar Pradesh und Tamil Nadu befragt.

Studie

Factsheet

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