Südlink zum Mittelmeer erschienen
Südlink 186 - Das Mittelmeer: Zwischen Austausch und Abgrenzung
Editorial
Liebe Leserin, lieber Leser,
es gibt nur wenige Orte, an denen Nord und Süd so intensiv aufeinandertreffen wie im und um das Mittelmeer. Begünstigt durch die Geographie mit seinen relativ kurzen Distanzen, vorgelagerten Inseln und schützenden Buchten entwickelte sich schon in der Antike ein regelmäßiger Austausch von Waren, der bald nicht mehr auf kleine Mengen von Luxusgütern beschränkt war, sondern den Handel mit Grundnahrungsmitteln wie sizilianischem Weizen einschloss.
Doch nicht nur materielle Güter, auch Ideen, Wissen, Religionen und die Künste fanden den Weg über das mare mediterraneum, das „Meer zwischen den Ländern“, und machten es zu einem frühen Labor der Globalisierung. Dieter Richter bezeichnet das Mittelmeer in seinem Beitrag folgerichtig als „Mittler-Meer“, das „zwischen den Küsten dreier Kontinente, und das nicht nur im geographischen, sondern auch im kulturellen Sinn“ vermittelte. Keineswegs immer friedlich und auf gegenseitigen Vorteil bedacht waren diese Begegnungen, auf lange Sicht jedoch bereicherten sie die so verschiedenen Gesellschaften und Kulturen, die an das Mittelmeer grenzten, enorm. Der britische Historiker David Abulafia beschreibt in seiner Biografie des Mittelmeers denn auch dessen „integratives Wesen“, das es selten verloren habe.
Heute zum Beispiel. Seit die lange Zeit bevorzugte Migrationsroute von Norden nach Süden in umgekehrter Richtung verläuft, wächst die Zahl derer, die das Trennende betonen – vor allem in Europa. Während Rechtspopulist*innen gegen den Islam und gegen die Menschen hetzen, die aus Afrika oder dem Nahen Osten zu uns kommen wollen, versucht die Europäische Union mit allen Mitteln, Flucht und Migration übers Mittelmeer zu unterbinden. Dafür füttert sie diktatorische Regime im nördlichen Afrika mit Millionenbeträgen und finanziert in Libyen eine Küstenwache, die teils aus denselben Milizen besteht, die in Lagern an Land Zehntausende unter unmenschlichen Haftbedingungen festhalten. Die Berichte über Folter, Vergewaltigungen und Erpressung sind weithin bekannt. Aber die Menschenrechte derer, die sich aus Armut oder um Krieg und Gewalt zu entfliehen, auf den Weg nach Europa gemacht haben, zählen wenig, wenn es darum geht, die Flüchtlingszahlen in Europa zu verringern.
Das bekommen auch jene Initiativen und Organisationen zu spüren, die Schiffe gechartert haben, um Flüchtende aus dem Mittelmeer zu retten. Sie haben ein großartiges Zeichen der Menschlichkeit gesetzt und in den vergangenen Jahren Zehntausende in Sicherheit gebracht. Während insbesondere Italiens rechtspopulistische Regierung Conte vehement gegen die privaten Seenotretter vorgeht, verkommt das Mittelmeer zum „Burggraben um die Festung Europa“ (Dieter Richter).
Keine guten Aussichten für das Mittelmeer. In diesem Südlink finden Sie aber auch einige Zeugnisse dafür, dass es (wieder) ein wunderbarer Ort des Austauschs und der Begegnung sein kann. Machen Sie sich mit auf die Reise – es gibt einiges zu entdecken.
Eine anregende Lektüre wünscht Ihnen
Michael Krämer
Zum Autor
Michael Krämer arbeitet bei INKOTA und ist Redakteur des Südlink-Magazins.
Michael Krämer arbeitet bei INKOTA und ist Redakteur des Südlink-Magazins.
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