Expert*innen gehören an den Verhandlungstisch!
Eindrücke der Deutschlandreise unserer indischen Partner
Für den Schutz der Menschenrechte streiten wir in vielen Bündnissen– unter anderem in der Bekleidungsproduktion. Wer fast nie mit am Tisch sitzt: Vertreter*innen der Arbeiter*innen, der Zivilgesellschaft oder Gewerkschaften aus den Produktionsländern. Das muss sich ändern. Wir als NGOs im Globalen Norden können Sprachrohr von Menschen aus dem Globalen Süden sein. Doch nur Gewerkschaften und NGOs aus dem Globalen Süden, die direkt mit ihnen zusammenarbeiten, können echte Vertreter*innen für ihre Themen sein.
Nicht ohne die Betroffenen
Im November 2022 kamen Kohila Senbagam und Purushottam Kumar von unseren indischen Partnerorganisationen CIVIDEP und Society for Labour and Development (SLD) nach Deutschland.
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Beide engagieren sich in unterschiedlichen Regionen Indiens für die Rechte von Arbeiter*innen in Gerbereien und Schuhfabriken. Sie können die Situation der Arbeiter*innen und Unternehmer*innen im Ledersektor Indiens so detailliert und kenntnisreich einschätzen und beschreiben, wie es niemand aus Europa jemals könnte. Warum auch – sie sind die Expert*innen. Sie wissen welche Sprachen die Arbeiter*innen sprechen – in einem Land mit rund 1600 Sprachen. Sie können einschätzen wie ein umsetzbares System, in dem Arbeiter*innen Beschwerden vorbringen können, gestaltet sein muss – in einer Gesellschaft, in der offiziell mehrere tausend Kasten und ethnische Gruppen als benachteiligt gelten. Auf ihrer zweiwöchigen Reise trafen sie zahlreiche Wirtschaftsinitiativen, Unternehmen und andere NGOs.
Ein Hauch von Veränderung
Auch zur Mitgliederversammlung des Textilbündnis begleiteten sie uns. Diese Multi-Stakeholder-Initiative bringt Unternehmen, Verbände, NGOs, Standardorganisationen, Gewerkschaften und die Bundesregierung an einen Tisch, um die Arbeitsbedingungen in der Bekleidungsindustrie strukturell zu verbessern. Doch auch hier: Keine Vertreter*innen des Globalen Südens. Obwohl wir beim Treffen in der letzten Reihe saßen und ich für Kohila und Purushottam dolmetschte, bemerkte ich wie sich die Stimmung im Raum änderte: Mehrere Mitarbeiter*innen großer Bekleidungsunternehmen nahmen in ihren Wortmeldungen konkret Bezug zu Indien auf, sie entschuldigten sich für die Gespräche auf Deutsch, in Pausen kamen Politik- und Wirtschaftsvertreter*innen für Gespräche auf die beiden zu. Neben Nachfrage zur Arbeit der beiden Organisationen wurden auch Anknüpfungspunkte gesucht, wie man gemeinsam die ökologischen und sozialen Missstände in der Schuh- und Lederindustrie verbessern könnte. Dieses Treffen vermittelte eine Ahnung davon, wie viel wirkungsorientierter und sinnvoller Unternehmen ihrer menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht nachkommen könnten, wenn direkte Vertreter*innen der Arbeiter*innen die Maßnahmen entscheidend mitgestalten könnten.
Unsere Aufgabe bei INKOTA ist es, den Expert*innen aus dem Globalen Süden Gehör zu verschaffen – in einer Wirtschaftswelt, die trotz aller vermeintlichen Turbo-Globalisierung das globale Zuhören und Lernen noch nicht gelernt hat.