Strukturelle Veränderung braucht Partizipation
Impressionen unserer Reise nach Indien
Diesen Sommer rollen wieder Rekordhitzewellen über Indien. Die regelmäßig auftretenden über 40°C stellen das ganze Land vor große Herausforderungen. Während einer Hitzewelle waren wir in Indien unterwegs. Wir wollten uns vom Wandel der Leder- und Schuhindustrie vor Ort ein eigenes Bild machen.
Nicht nur der Klimawandel und die Pandemie, sondern auch die neue politische Weltlage (Inflation, Ukraine-Krieg) verändern die Rahmenbedingungen der Leder- und Schuhbranche. Ganz direkt wirken sich veränderte Nachfrage und neue politische Regulierungen auf die Unternehmen– und schlussendlich besonders auf die Arbeitskräfte – aus.
Gemeinsam mit den INKOTA-Partnerorganisationen Cividep und SLD reisten wir 2 Wochen im April durch Nord- und Südindien. Auf dieser Reise trafen wir Arbeiter*innen in Gerbereien und Schuhfabriken, kamen mit Heimarbeiter*innen ins Gespräch und diskutierten mit sowohl Gewerkschafter*innen als auch Fabrikbesitzer*innen. In diesem Austausch wurde deutlich: Sie haben keine Gestaltungsspielräume in Veränderungsprozessen. Denn auch die Verhandlungsmöglichkeiten indischer Unternehmer sind stark begrenzt.
Deutsche Einkäufer für Schuhe, Lederwaren und Leder nutzen häufig einen „pick-and-choose“-Ansatz, d.h. sie Einkäufer platzieren einen Auftrag in einer Fabrik – und ziehen weiter zur nächsten, wenn sie mit Preis, Qualität, Zertifikaten oder Auditberichten nicht mehr zufrieden sind. Sie bauen also keine langfristigen Partnerschaften auf. So vermeiden sie auch Investitionen in Qualität und Arbeitsbedingungen bei ihren Zulieferern.
Wandel durch Teilhabe
Beschwerdemechanismen, Gewerkschaftsgründung, Lohn zum Leben, gute Schutzkleidung – die Liste der Probleme in der Branche ist lang. Zwar werden einige Themen von Unternehmen bereits angegangen, doch um spürbare Veränderungen herbeizuführen, müssen Arbeiter*innen mitgestalten können.
Sie müssen sich austauschen, informiert sein, Forderungen formulieren können – und am Ende des Tages Gehör finden. In Indien, wo die Arbeiter*innen aus stark diskriminierten Bevölkerungsgruppen stammen und Gewerkschaftsrechte unterdrückt werden, funktioniert das nicht von selbst.
Ein Hauch vom Wandel
Eine Erinnerung, die uns bleibt, war ein Treffen mit Arbeiterinnen. Die Lampen und Ventilatoren waren aufgrund der Hitze ausgefallen. So saßen wir schwitzend und im Dunkeln mit den Arbeiterinnen zusammen. Sie berichteten, wie sie es geschafft haben, ein Arbeiterinnen-Frauen-Kollektiv zu gründen. Und auch, wie es ihnen gelungen ist, erstmals Fälle von sexualisierten Übergriffen von Fabrik-Vorarbeitern bei einer Behörde anzuzeigen. Das ist ein großartiger Erfolg, auch für unsere Partner in Indien. Dank ihrer Schulungen und Beratungen können Arbeiter*innen sich organisieren – und perspektivisch die Rahmenbedingungen für ihr Leben besser selbst mitgestalten.