Die Überwindung der Wegwerfgesellschaft
Eine Kreislaufwirtschaft ist notwendig, doch bisher kaum umgesetzt.
Das Konzept der Kreislaufwirtschaft steht aktuell weit oben auf der politischen Agenda: Die Europäische Kommission hat einen ambitionierten Aktionsplan vorgelegt. Und auch der Koalitionsvertrag der aktuellen Bundesregierung greift das Thema auf. Damit stellen sich die Fragen, was eine Kreislaufwirtschaft überhaupt auszeichnet, welche Vorteile wir davon hätten und was es bräuchte, um diesen Transformationsprozess erfolgreich umzusetzen.
Im Kern geht es bei der Kreislaufwirtschaft darum, dass die von uns genutzten Produkte nicht einfach zu Abfall werden. Die in ihnen enthaltenen Rohstoffe sollen nach ihrer Nutzung in möglichst geschlossenen Kreisläufen weiterverwendet werden. Dadurch schont man einerseits Ressourcen sowie das Klima und bewahrt andererseits den ökonomischen Wert. Kreislaufwirtschaft ist damit die Abkehr von unserem aktuellen linearen System, in dem wir den Ökosystemen immer aufs Neue Rohstoffe entnehmen, daraus Produkte herstellen, diese häufig erschreckend kurz nutzen und sie anschließend als Abfall entsorgen. Das klassische Beispiel sind Plastikverpackungen: Produziert aus Erdöl werden sie nach dem Kauf geöffnet, sind dann praktisch wertlos und müssen entsorgt werden. In Deutschland werden zwei Drittel der Kunststoffabfälle verbrannt, in anderen Ländern landen Verpackungen in der Regel auf einer Deponie.
Um das zu ändern, müssen für zirkuläre Lösungen verschiedene Akteur*innen miteinander kooperieren. Bereits beim Produktdesign müsste überlegt werden, wie eine Verpackung aussehen sollte, damit sie anschließend sinnvoll recycelt werden kann, beispielsweise indem man nicht zu viele unterschiedliche Kunststoffe verwendet. Für die Wiederverwendung ist die Abstimmung häufig noch komplexer: Es braucht dann zum Beispiel Anreize für die Verbraucher*innen, die wiederverwendbare Verpackung tatsächlich zurückzubringen. Dazu gehören etwa ein Pfandsystem sowie eine koordinierte Logistik zur Sammlung und Reinigung.
Kreislaufwirtschaft kann also durch unterschiedliche Strategien umgesetzt werden: Das vergleichsweise simple Recyceln, bei dem aus Abfall wieder ein Rohstoff wird, sowie die Wiederverwendung durch Reparatur und die Aufarbeitung gebrauchter Geräte (Remanufacturing). Oder auch die Vermeidung durch Geschäftsmodelle wie Leasing oder Sharing, wo der Hersteller in der Regel einen Anreiz hat, möglichst langlebige Produkte anzubieten. Mit dem Grad der Komplexität steigt dabei auch das Potenzial, zum Beispiel CO2 einzusparen: Wenn eine Verpackung zwanzigmal genutzt werden kann, fallen deutlich weniger Emissionen an, als wenn sie nach jeder Nutzung recycelt werden müsste.
An einer Kreislaufwirtschaft führt kein Weg vorbei
Ökonomische und ökologische Interessen kommen bei der Kreislaufwirtschaft zusammen. Aus Umweltperspektive ist eindeutig, dass die ressourcenverschwenderische Wegwerfgesellschaft keine Zukunft haben kann: Sie führt zu immer größeren Müllmengen, gleichzeitig werden Rohstoffe knapp und der global immer weiter ansteigende Ressourcenverbrauch ist nach Berechnungen des Internationalen Ressourcenpanels für über 90 Prozent des Artensterbens verantwortlich. Modellierungen im Rahmen der Circular Economy Initiative Deutschlands zeigen zudem, dass Deutschland die gesetzlich definierten Klimaziele nur erreichen wird, wenn die Transformation zur Kreislaufwirtschaft deutlich beschleunigt wird.
Hinzu kommt die ökonomische Perspektive: Deutschland ist für viele Schlüsseltechnologien auf Rohstoffimporte angewiesen, beispielsweise auch aus Russland. Insbesondere die Europäische Kommission verweist darauf, dass Europa als Industriestandort langfristig nur überleben wird, wenn zirkulär produziert wird – und hofft auf 700.000 neue Arbeitsplätze durch die Umsetzung ihres Aktionsplans.
Die eigenen Abfälle als Rohstoffquelle zu nutzen, macht unabhängig von den aktuellen Preisschwankungen Sinn und sichert angesichts immer fragilerer Lieferketten auch die Versorgung der eigenen Industrie. Zudem wird im Vergleich zur Gewinnung aus Erzen beim Recycling von Rohstoffen weniger Energie benötigt.
Natürlich gibt es auch hier Grenzen: Nicht alle Stoffe lassen sich immer sinnvoll mechanisch recyceln, beispielsweise Zement. Auch bei den Kunststoffen wird es einen Mix unterschiedlicher Ansätze brauchen: Dazu gehören neben dem optimierten Recycling auch Technologien, die aus Plastikabfällen wieder Erdöl sowie biobasierte Materialien gewinnen – und natürlich die Frage, wo man beispielsweise auf überflüssige Verpackung verzichten kann. Kreislaufwirtschaft wird niemals durch die eine Wundertechnologie erreicht werden. Für eine so umfassende Umgestaltung der Art und Weise, wie wir produzieren und konsumieren wollen, braucht es immer ein Miteinander von regulatorischen, ökonomischen und auch gesellschaftlichen Faktoren.
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Angesichts der Potenziale ist der aktuelle Status Quo der Zirkularität sowohl in Deutschland als auch weltweit relativ ernüchternd: Global gesehen kommen nur 8,6 Prozent aller genutzten Rohstoffe aus dem Recycling. In den vergangenen Jahren ist dieser Anteil sogar leicht zurückgegangen. Und auch in Deutschland werden in der Industrie gerade einmal 13 Prozent aller Materialien wiederverwendet. Die jährliche Steigerung lag zuletzt bei nur 0,4 Prozentpunkten. Gleichzeitig zeigen Länder wie die Niederlande, dass es auch zum gegebenen Stand der Technik längst möglich wäre, deutlich über 30 Prozent des Rohstoffbedarfs aus Recycling zu decken.
Es braucht daher innovative Ansätze, um die Geschwindigkeit der Transformation zu erhöhen. Diese müsste weit über das klassische Abfallrecht mit seinen Recyclingquoten hinausgehen. Hier mangelt es nicht an Ideen, sie müssten aber konkret umgesetzt werden.
Es braucht mehr Investitionen
Dafür müsste bereits in der Designphase von Produkten viel stärker auf deren Zirkularität geachtet werden. Hier entscheidet sich zentral, ob sich am Ende sinnvoll reparieren oder recyceln lässt. Für viele Produkte wie Verpackungen, Fahrzeuge oder Elektrogeräte zahlen die Hersteller schon heute pro Produkt, das sie auf den Markt bringen, damit es am Ende gesammelt und entsorgt wird. Diese Zahlungen könnten danach eingeteilt werden, wie recyclingfähig ein Produkt ist. Länder wie Italien oder Frankreich haben mit solchen „ökologisch differenzierten Lizenzabgaben“ bereits gute Erfahrungen gemacht. Grundsätzlich sollten die Hersteller aber auch für andere Produkte in die Verantwortung genommen werden, beispielsweise für Textilien: Hier zahlt aktuell die Gesellschaft dafür, dass die Qualität der Produkte im Zuge von „fast fashion“ immer schlechter wird und dementsprechend immer mehr Müll anfällt.
Ein zweiter Ansatzpunkt, bereits ganz vorne am Produktdesign anzufangen, wären sogenannte Mindestrezyklatquoten wie sie etwa in der EU-Batterieverordnung vorgesehen sind, die bis spätestens Anfang kommendes Jahres vorliegen soll. Der Gesetzgeber könnte definieren, dass für bestimmte Produktgruppen wie zum Beispiel Kunststoffverpackungen ohne Lebensmittelkontakt oder Kunststoffteile im Auto ein Mindestanteil recycelter Kunststoffe eingesetzt werden muss. Damit ergibt sich zum einen eine deutlich gesteigerte Nachfrage, sodass Recycler auch in neue Anlagen und Technologien investieren können. Zum anderen resultieren daraus Anreize für die Hersteller, ihre eigenen Produkte möglichst zurückzubekommen, weil man dann daraus deutlich einfacher die genau benötigten Kunststoffrezyklate gewinnen kann. Ähnliche Regelungen hat die Europäische Kommission für Kunststoffflaschen beschlossen – seitdem ist recyceltes PET zu einem begehrten Wirtschaftsgut geworden.
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Um die Transparenz der Rohstoffnutzung entlang des ganzen Lebenszyklus zu erhöhen, sind sogenannte „digitale Produktpässe“ ein zurzeit intensiv diskutiertes Thema: Die Hersteller sollen verpflichtet werden, Daten zu den in ihren Produkten enthaltenen Rohstoffen in digitaler Form zur Verfügung zu stellen: Welche Rohstoffe sind in welchen Mengen enthalten, wie und wo sind sie verbaut, wie werden sie genutzt et cetera. Auf Basis solcher Daten kann dann viel exakter geplant werden, wann und wo Sekundärrohstoffe zur Verfügung stehen könnten. Damit steigt der Anreiz für Unternehmen, solche Materialien auch viel stärker in die Planung ihrer Zulieferketten einzubeziehen.
Wie schnell die Transformation zur Kreislaufwirtschaft geschieht, wird am Ende aber davon abhängen, ob es gelingt, ausreichend private Investitionen aus der linearen in die zirkuläre Wertschöpfung umzulenken. Die EU-Taxonomie definiert als Teil des „Sustainable Finance Action Plan“, welche Wirtschaftstätigkeiten als ökologisch nachhaltig angesehen werden. Damit gibt es ein Instrument, konkrete Kriterien zu definieren, welche Investitionen der Kreislaufwirtschaft nützen und welche ihr tendenziell eher schaden. Banken und andere Investoren werden solche Zahlen in Zukunft veröffentlichen müssen – was ihr Interesse an Unternehmen mit interessanten zirkulären Geschäftsmodellen deutlich steigern wird.
Eine Vielzahl konkreter Vorschläge liegt also auf dem Tisch. Die angekündigte nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie könnte die große Chance für Deutschland sein, solche und andere Instrumente in die Umsetzung zu bringen und damit auch wieder eine Vorreiterrolle in Europa zu übernehmen. Hier geht es nicht um Alleingänge, aber um den Nachweis, dass Kreislaufwirtschaft nicht nur auf dem Papier überzeugend klingt, sondern auch in der Praxis ein zentraler Baustein zukunftsfähiger Innovationskonzepte werden kann.
Henning Wilts ist Abteilungsleiter des Bereiches Kreislaufwirtschaft beim Wuppertal Institut.
Henning Wilts ist Abteilungsleiter des Bereiches Kreislaufwirtschaft beim Wuppertal Institut.