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Coronavirus stärkt Argumente für neue EU-Textilgesetze

INKOTA veröffentlicht mit 64 zivilgesellschaftlichen Gruppen gemeinsame Vision für den globalen Textil-, Bekleidungs-, Leder- und Schuhsektor (TGLF).

von Berndt Hinzmann
Veröffentlicht 29. APRIL 2020

Da die Europäische Kommission in den kommenden Monaten mit der Entwicklung einer neuen und umfassenden Strategie für Textilien beginnen will, hat INKOTA mit einer Gruppe von 64 weiteren Organisationen der Zivilgesellschaft, der Fair Trade Bewegung und der Clean Clothes Campaign ihre Vision für den globalen Textil-, Bekleidungs-, Leder- und Schuhsektor (TGLF) dargelegt. Das Bündnis veröffentlichte dazu ein inoffizielles Strategie-Papier, die „Civil Society Shadow Strategy“, in dem es verschiedene legislative und nicht-legislative Maßnahmen vorschlägt, die die EU ergreifen kann, um zu faireren und nachhaltigeren Wertschöpfungskette dieser Industrie beizutragen.

Zur „European Strategy for Sustainable Textile, Garments, Leather and Footwear“ (Langfassung)

Zur „European Strategy for Sustainable Textile, Garments, Leather and Footwear“ (Zusammenfassung)

Strategie zur globalen Neugestaltung der Fashion-Industrie

Der Bekleidungs- und Schuh-Sektor ist seit langem durch Arbeitsrechts- und Menschenrechtsverletzungen sowie durch dramatische Folgen für die Umwelt und das Klima gekennzeichnet. Das zivilgesellschaftliche Bündnis – eine breite Koalition von Verfechtern des fairen Handels, der Menschen- und Arbeitnehmerrechte sowie des Umwelt- und Verbraucherschutzes – fordert die Europäische Kommission, die Europaabgeordneten und die EU-Regierungen auf, eine ambitionierte Strategie zu verfolgen, die eine globale Neugestaltung der nach der Corona-Pandemie stark geschädigten Textilindustrie in Gang setzen wird.

Auch die Bundesregierung muss in der kommenden EU-Ratspräsidentschaft aktiv diese Ziele verfolgen und die Etablierung eines Lieferkettengesetzes voranbringen.

Die Europaparlamentarier*innen Delara Burkhardt (SPD), Heidi Hautala (Vorsitzende der Arbeitsgruppe „Verantwortungsbewusstes Geschäftsgebaren“ der Grünen/EFA) und Helmut Scholz (LINKE) forderten in einen gemeinsamen Brief alle Mitglieder des Europäischen Parlaments dazu auf, die „Civil Society Shadow Strategy“ zu teilen und zu unterstützen. In dem Brief betonen die Abgeordneten, dass „der Textilsektor aufgrund der Machtungleichgewichte zwischen seinen Akteuren und seiner schwerwiegenden strukturellen Probleme, einschließlich der von ihm verursachten Umweltschäden und Governance-Fragen, zu den am stärksten von der COVID-19-Krise betroffenen Sektoren gehört. Er ist einer der am stärksten umweltverschmutzenden Industrien, die Quelle unzähliger Katastrophen wie der von Rana Plaza und ein Brennpunkt für Menschenrechtsverletzungen, von denen Frauen unverhältnismäßig stark betroffen sind“.

Statt freiwillige Maßnahmen eine verbindliche Strategie

Freiwillige Maßnahmen haben nicht zu einer fairen und nachhaltigen Leder-, Schuh- oder Textilindustrie geführt, daher ist es an der Zeit, dass die Staats- und Regierungschefs der EU die Struktur der Branche neu gestalten. Diese Strategie bietet der Kommission das gebündelte Fachwissen von 65 Organisationen der Zivilgesellschaft aus Fair Trade und der Clean Clothes Campaign, die über jahrelange Erfahrung verfügen und immer wieder die negativen Auswirkungen im Sektor thematisiert haben. Es handelt sich um einen Maßnahmenkatalog, aus dem die Kommission eine umfassende Strategie entwickeln muss.

Die zivilgesellschaftliche Vision für eine umfassende EU-Strategie enthält unter anderem folgende Empfehlungen:

  • Sicherstellen, dass Unternehmen rechtlich verpflichtet sind, nicht nur für ihre eigenen Aktivitäten, sondern für ihre gesamte Lieferkette Verantwortung zu übernehmen. Ein EU-Recht zur Sorgfaltspflicht soll in allen Sektoren Anwendung finden, einschließlich spezifischer Anforderungen für den TGLF-Sektor. Die Unterzeichnung einer Multi-Stakeholder-Partnerschaft sollte Unternehmen nicht von der Verantwortung befreien.
  • Strengere Umweltvorschriften, die sich auf die Art und Weise beziehen, wie in der EU verkaufte Textilprodukte entworfen und hergestellt werden. Auch die rechtliche und finanzielle Verantwortung der Hersteller dafür, wann ihre Produkte zu Abfall werden, sowie sinnvolle Maßnahmen zur Förderung der Transparenz sollen Bestandteil der Maßgaben sein.
  • Sicherstellen, dass Marken und Einzelhändler gesetzlich verpflichtet sind, Verträge einzuhalten. In der Branche gängige unlautere Einkaufspraktiken, etwa kurzfristige Auftrags-Stornierungen ohne Bezahlung bereits gefertigter Produkte, müssen gesetzlich verankerte Strafen nach sich ziehen.
  • Politische Reformen und eine bessere Rechtsdurchsetzung in den Erzeugerländern müssen zu einem Teil der Lösung von Nachhaltigkeitsproblemen in den TGLF-Wertschöpfungsketten werden.
  • Die EU muss ihre Marktmacht in der Handelspolitik nutzen, um nachhaltige Produktionspraktiken in der TGLF-Industrie zu fördern.

Die deutschen Erstunterzeichner der Civil Society Shadow European Strategy for Sustainable Textile, Garments, Leather and Footwear sind:

  • Entwicklungspolitisches Netzwerk Sachsen e.V.
  • FEMNET e.V.
  • Forum Fairer HandelFrauenwerk der Nordkirche
  • INKOTA-netzwerk
  • SÜDWIND-Institut
  • TransFair e.V. (Fairtrade Deutschland)
  • Transparency Germany
  • VerbraucherService Bundesverband
  • Weltladen-Dachverband

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