Einkaufspraktiken der Kakao- und Schokoladenindustrie müssen fair werden
Bericht zeigt: unfaire Einkaufspraktiken ursächlich für soziale und ökologische Probleme in der Kakaobranche
Ein neuer zivilgesellschaftlicher Bericht, der von INKOTA gemeinsam mit weiteren Organisationen des VOICE Netzwerks veröffentlicht wurde, weist auf unfaire Einkaufspraktiken als Ursache für die anhaltenden sozialen und ökologischen Probleme in der Kakaobranche hin. Als Lösungen werden drei konkrete Änderungen der Beschaffungspraktiken der Kakao- und Schokoladenindustrie vorgeschlagen.
Kakaobauern sind immer noch arm
Die Festtage rücken näher und die Schokoladen- und Kakaounternehmen werden wie jedes Jahr einen saisonalen Umsatz- und Gewinnschub erleben. Doch große Schokoladen- und Kakaounternehmen, darunter multinationale Konzerne wie Mars, Ferrero, Mondelēz, Hershey und Nestlé, aber auch Händler wie Barry Callebaut und Cargill, zahlen keine Preise, die es Kakaobauern und -bäuerinnen ermöglichen, ein existenzsicherndes Einkommen zu erzielen. Von einer Tafel Schokolade, die in Deutschland verkauft wird, verbleiben 65 % der Gewinne entlang der Lieferkette beim Lebensmitteleinzelhandel und 23 % bei den Schokoladenunternehmen. Der Rest verteilt sich auf die Vermahlung und den Transport. Die Kakaobäuerinnen und -bauern machen jedoch überhaupt keine Gewinne und können größtenteils nicht einmal die Kosten für Lebensunterhalt und Produktion decken.
Eine Studie von Oxfam hat darüber hinaus ergeben, dass die Nettoeinkommen der Kakaobauern und -bäuerinnen in Ghana zwischen den Erntesaisons 2019/2020 und 2021/2022 um über 16 Prozent sanken. Im gleichen Zeitraum haben die vier größten börsennotierten Schokoladenkonzerne der Welt, Hershey, Lindt, Mondelēz und Nestlé, zusammen fast 15 Milliarden Dollar Gewinn allein mit ihren Süßwarensparten gemacht. Das ist ein Plus von durchschnittlich 16 Prozent.
Aktuelle Unternehmensansätze nicht effektiv
Die derzeitigen Ansätze der Schokoladen- und Kakaounternehmen, das Einkommen der Bauern zu erhöhen, haben bestenfalls marginale Auswirkungen. Das liegt daran, dass die meisten Programme zur Verbesserung der Lebensbedingungen sich auf die Steigerung der Erträge, die Schulung der Bauern und die Diversifizierung der Einkommen konzentrieren, anstatt die Einkaufspraktiken der Unternehmen zu ändern. Mit der Ausnahme von Tonys Chocolonely zahlen keine großen Schokoladen- oder Kakaounternehmen höhere Preise ab Hof. Der Bericht zeigt, dass dies sich ändern muss.
Schlüssel liegt in der Änderung der Einkaufspraktiken
„Die Unternehmen haben sich mehrfach verpflichtet, die Einkommen der Produzenten zu verbessern. Doch die Daten zeigen immer wieder die gleiche, unerbittliche Feststellung. Die meisten Unternehmen haben immer noch Einkaufspraktiken aus einer anderen Zeit. Es ist an der Zeit, dass der Markt fairere Praktiken anwendet."
Bakary Traoré, Direktor der ivorischen Organisation IDEF
Nach zwanzig Jahren begrenzten Fortschritts im Kakaosektor müssen die Unternehmen anfangen, sich mit ihrem Kerngeschäft zu beschäftigen, nämlich dem Kauf und Verkauf von Kakaoprodukten.
Unternehmen müssen handeln
Der Bericht schlägt drei konkrete Lösungen vor, die Kakao- und Schokoladenunternehmen in ihrem Kerngeschäft umsetzen sollten, um ihre Einkaufspraktiken fairer zu gestalten:
- Faire Preise: Unternehmen sollten sich zur Zahlung eines Living Income Reference Preises an die Kakaobäuer*innen in ihren Lieferketten verpflichten.
- Risiko fair verteilen: Händler, Einzelhändler und Marken sollten langfristige asymmetrische Verträge innerhalb eines bestimmten Zeitrahmens abschließen, die realistische Mengen, den Referenzpreis für ein existenzsicherndes Einkommen, Neuverhandlungsmechanismen und klare Rechte und Pflichten für Käufer und Bauern beinhalten.
- Transparente Umsetzung: Unternehmen sollten jährlich einen Bericht über verantwortungsvolle Einkaufs-KPIs veröffentlichen, einschließlich Mengen und der bezahlten Ab-Hof-Preise.
Viele der ganzheitlichen Interventionen, die im Kakao notwendig sind, sind langfristige Prozesse, die im Laufe der Zeit zu Veränderungen führen. Für die große Mehrheit der Kakaobauern und -bäuerinnen ist (extreme) Armut jedoch eine tägliche Realität. Sie können es sich nicht leisten zu warten, bis langfristige Prozesse - wie ein diversifiziertes Einkommen, eine höhere Produktivität oder eine bessere ländliche Infrastruktur - in Gang gekommen sind. Viele gute Einkaufspraktiken erfordern weder ein kollektives sektorweites Vorgehen noch einen langen Entwicklungsprozess; sie können relativ kurzfristig von einzelnen Unternehmen umgesetzt werden.