Ernährungsräte: Weg zur Mitbestimmung

Praxisbeispiel: Brasilianische Ernährungsräte

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Vertreter*innen sozialer, afrobrasilianischer und indigener Bewegungen bei der CONSEA Konferenz. /Foto: Carlos Silva/Mapa/Lizenz: CC BY-NC 2.0

Partizipative Mitbestimmung ist eine Form der aktiven, gleichberechtigten Beteiligung an Entscheidungen, die das eigene Lebens- und Arbeitsumfeld betreffen. Diese Idee sozialer Mitbestimmung prägt in besonders gelungener Weise die brasilianischen Ernährungsräte. Sie funktionieren auf lokaler, bundesstaatlicher und nationaler Ebene und bestehen aus allen zivilgesellschaftlichen Gruppen, die sich im Ernährungssektor engagieren: aus Bäuerinnen und Bauern, Landarbeiter*innen, Fischer*innen, Bäcker*innen und anderen, die in der Lebensmittelverarbeitung oder -vermarktung arbeiten, auch als Verbraucher*innen. Auch die staatliche Seite ist bei den Ernährungsräten mit dabei.

Publikation
Vom Acker zum Teller: Agrarökologie in der Praxis
Beispiele aus dem Alltag, auf dem Weg zu einer fairen und nachhaltigen Landwirtschaft
Publikation
Vom Acker zum Teller: Agrarökologie in der Praxis
Beispiele aus dem Alltag, auf dem Weg zu einer fairen und nachhaltigen Landwirtschaft
Keine Lust mehr auf ein Ernährungssystem, dass mit viel zu hohem Pestizideinsatz Flora und Fauna bedroht, Bäuerinnen und Bauern unter einen enormen Intensivierungsdruck stellt und es trotzdem nicht schafft, alle Menschen in Deutschland gesund zu ernähren? Dann wirf einen…

Auf der nationalen Ebene besteht der Ernährungssicherheitsrat (CONSEA) aus 48 Vertreter*innen der Zivilgesellschaft und 24 Vertreter*innen der Ministerien. Die Mehrheit in diesem Mitbestimmungsmodell liegt bei der Zivilgesellschaft, die auch die Vorsitzende stellt. Der nationale Rat ist direkt beim Staatspräsidenten angesiedelt, so dass die Beschlüsse und Empfehlungen schnell die Regierungsarbeit erreichen. Der brasilianische Ernährungsrat konnte schon viel erreichen. Beispielsweise wurde das System des Schulessens, an dem täglich 40 Millionen Kinder und Jugendliche teilnehmen, grundlegend reformiert. Vorrang für den Einkauf der Gemeinschaftsverpflegung haben gesunde, lokale und agrarökologisch produzierte Nahrungsmittel. Es ist gesetzlich geregelt, dass mindestens 30 Prozent des Schulessens aus bäuerlicher Landwirtschaft, von indigenen, afrobrasilianischen oder Agrarreformgemeinschaften eingekauft werden muss. So sind nicht nur sehr viele Menschen täglich mit gesunden Mahlzeiten versorgt, sondern es werden auch neue Märkte zum Absatz agrarökologischer Produkte geschaffen.

Jedoch ist die partizipativ-demokratische Mitbestimmung nicht bei allen beliebt. Der rechtsgerichtete Regierungschef Bolsonaro schaffte im Januar 2019 den CONSEA am ersten Tag seiner Amtszeit ab. Infolge verschlechterte sich die Ernährungssicherheit drastisch. Nach vier Jahren Widerstand und sozialer Mobilisierung richtete der aktuelle Präsident Lula da Silva den CONSEA im Februar 2023 wieder ein. Die derzeitige Vorsitzende des CONSEA, Elisabetta Recine, dazu: „Die jüngste Geschichte Brasiliens hat uns gelehrt, wie wichtig die Demokratie ist für die Verwirklichung aller Menschenrechte und der sozialen Gerechtigkeit“.

Martin Wolpold-Bosien
Deutsches Institut für Menschenrechte

Dieses Projekt wurde gefördert durch das Umweltbundesamt und das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz. Die Mittelbereitstellung erfolgt auf Beschluss des Deutschen Bundestages. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei den Autorinnen und Autoren.

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