Indien: Massive Einschränkung grundlegender Arbeitsrechte
Arbeiter*innen zahlen die Zeche für Corona-Krise.
Der Wettbewerb um Wirtschaftsstandorte auf Kosten von Arbeitsrechten geht rabiat weiter. Trotz internationaler Kritik, u.a. der Internationalen Arbeitsorganisation, und nationaler Proteste von Gewerkschaften und Zivilgesellschaft, werden die Arbeitsrechte in vielen indischen Bundesstaaten weiter ausgehöhlt. Einige Bundesstaaten haben die offizielle tägliche Arbeitszeit von 8 auf 12 Stunden erhöht.
Nach einer Mahnung durch den Obersten Gerichtshofs von Allahabad, nahm Uttar Pradesh die Anordnung einer täglichen 12-Stunden-Schicht für Beschäftigte wieder zurück. Auch Rajasthan folgte diesem Beispiel. Während Uttar Pradesh und Madhya Pradesh wichtige Arbeitsgesetze für die nächsten drei Jahre ausgesetzt haben, tat Gujarat dasselbe für 1.200 Tage. In Mahya Pradesh muss die Fabriklizenz nun nur noch einmal in 10 Jahren statt jährlich erneuert werden.
Wanderarbeiter*innen in größter Not
Unsere Partnerorganisation Society for Labour and Development (SLD) kämpft für die Rechte von Arbeiter*innen in der Bekleidungs-, Schuh- und Lederindustrie. Sie berichtet, dass fast ausschließlich Wanderarbeiter*innen in der Bekleidungsindustrie der Region Delhi und im nordindischen Bundesstaat Uttar Pradesh in der Leder- und Schuhindustrie arbeiten. Aufgrund des Lockdowns haben sie ihre Arbeit verloren. Viele haben sich ohne Einkunft und Rücklagen auf den Weg in ihre Heimat in anderen Bundesstaaten gemacht. Oft sind sie mittellos auf der Strecke gestrandet und auf Hilfsgüter angewiesen.
In der Metropole und dem Distrikt Delhi mangelt es an Arbeitskräften, seitdem hunderttausende Wanderarbeiter*innen die Region verlassen haben. Deshalb rufen Unternehmen und Lieferanten die Arbeiter*innen bereits auf zurückzukommen – obwohl das Virus weiterhin massiv um sich greift. Über 350.000 Menschen sind in Indien bereits an COVID-19 gestorben. Seit dem 19. Juni gilt ein ein erneuterkompletter Lockdown. Ohne Einkommen und Perspektive kehren die ersten Wanderarbeiter*innen und Tagelöhner*innen wieder an ihre Arbeitsplätze zurück.
Deutscher Schuhhersteller nutzt die Gunst der Stunde
Während sich die Pandemie weiter zuspitzt und die Arbeitsrechte weiter ausgehöhlt werden, kündigte ein deutsches Unternehmen die Verlagerung seiner Produktion nach Indien an. Laut Sidharth Nath Singh, dem Minister für Kleinst-, Klein- und Mittelunternehmen von Uttar Pradesh, wird die deutsche Schuhmarke Von Wellx die gesamte Produktion aus China in die Stadt Agra verlegen. Die Eigentümerin der deutschen Schuhmarke, die Casa Everz Gmbh aus Essen, folgte damit einer Einladung des Yogi Adityanath. 10.000 Arbeitsplätze sollen direkt und indirekt durch den Umzug entstehen. Von Wellx wirbt mit Komfort und Wohlbefinden. Zu den Punkten Nachhaltigkeit oder Sorgfaltspflicht gibt das Unternehmen keinerlei Informationen.
Sorgfalt: Hilfe und strukturelle Veränderung
Unsere indischen Partnerorganisationen Cividep und SLD verteilen weiterhin Nothilfen, vor allem an gestrandete und einkommenslose Wanderarbeiter*innen. Doch es bedarf mehr, als dieser Form der Unterstützung. Die Regierung muss die Rechte der Arbeiter*innen schützen und für soziale Absicherung sorgen. An den Arbeitsplätzen muss der notwendige Gesundheits- und Arbeitsschutz garantiert werden. Und auch die Unternehmen der Modebranche müssen ihren Beitrag leisten, indem sie sich an der sozialen Absicherung der Arbeiter*innen beteiligen.
Der Generaldirektor der Internationalen Arbeitsorganisation, Guy Ryder, hat angesichts der katastrophalen Lage in Indien einen direkten Appell an den indischen Premierminister Modi gerichtet: „Es braucht eine klare Botschaft der Zentralregierung an die Regierungen der Bundesstaaten, die internationalen Verpflichtungen des Landes einzuhalten und die Beteiligung an einem wirksamen sozialen Dialog zu fördern.“ Diese Forderungen werden von einer internationalen Initiative von Unternehmen und zivilgesellschaftlichen Organisationen unterstützt.
Corona-Hilfe: Stärken Sie die Schwächsten
Gefördert sowie durch Engagement Global im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) sowie durch Brot für die Welt aus Mitteln des Kirchlichen Entwicklungsdienstes.