Projekte & Länder

Progressives Landrecht in Gefahr

Der mosambikanische Präsident Filipe Nyusi hat eine Überarbeitung des bestehenden, progressiven Landrechts eingeleitet, die großes Konfliktpotential in sich birgt.

von Christine Wiid
Veröffentlicht 19. NOVEMBER 2020

Das mosambikanische Landrecht ist als progressiv bekannt. Bislang konnte so verhindert werden, dass Landlosigkeit der Bäuer*innen zum Problem und Land zu einer Ware wird. Doch Präsident Filipe Nyusi hat eine Revision der Landrechtsgesetzgebung angekündigt, die die Privatisierung von Land vereinfachen könnte.

In Mosambik gehört alles Land dem Staat. Land kann nicht verkauft oder mit einer Hypothek belegt werden. Mosambikaner*innen können jedoch vom Staat dauerhafte Nutzungsrechte für Land erwerben. So soll vermieden werden, dass Land zu einer Ware wird und Bauern und Bäuerinnen ihr Land verlieren können, beispielsweise, wenn sie nach einer schlechten Erntesaison einen Kredit für neues Saatgut nicht zahlen können. Brasilien ist mit seiner großen Zahl an landlosen Bäuer*innen ein Beispiel dafür. Mosambik hat mit seiner bisherigen Bodenpolitik die Landlosigkeit weitgehend verhindert.

Landnutzungsrechte werden vom Staat sowohl an ländliche Gemeinden als auch an Einzelpersonen vergeben, wobei auch traditionelle, informelle Landbesitzformen berücksichtigt werden, etwa wenn Gemeinden schon seit Generationen auf diesem Land leben und wirtschaften. Die Nutzungsrechte umfassen dabei nicht nur Ackerland, sondern auch Weideland, Brachflächen und Forstgebiete. Investoren können ebenfalls Landnutzungsrechte erwerben, brauchen dafür jedoch die Zustimmung der jeweiligen lokalen Landnutzer*innen, die im Rahmen von gesetzlich vorgeschriebenen Gemeindekonsultationen verhandelt werden. Die an Investoren verliehenen Nutzungsrechte sind zeitlich beschränkt und können widerrufen werden, wenn das Land nicht entsprechend der Investitionspläne bewirtschaftet wird.

Landverteilung unter Druck

Wenngleich das mosambikanische Landrecht progressiv ist, so weist es doch einige Widersprüche auf. In den letzten Jahren wurden in den nördlichen Provinzen, insbesondere in Cabo Delgado, große Gas- und Rohstoffreserven entdeckt. Die Regierung hat daraufhin zahlreichen Bauern und Bäuerinnen die Nutzungsrechte ihres bisherigen Landes entzogen. Denn die Bergbaugesetze stehen über den Landgesetzen und ermöglichen im Bedarfsfall die Umsiedlung bzw. Vertreibung der ansässigen Bevölkerung.

Die bisherige Landverteilung gerät auch durch die demografische Entwicklung unter Druck. Aufgrund des extremen Bevölkerungswachstums in Mosambik werden freie Flächen knapp. Hinzu kommt die geringe landwirtschaftliche Produktivität der Flächen – ein Großteil der Bauern und Bäuerinnen bewirtschaftet das Land nach wie vor manuell, ohne Landmaschinen und ohne den Einsatz von kommerziellen Düngemitteln und ähnlichem.

Landrechte: Ohne Land kein Leben

Rufe nach Privatisierungen werden lauter

International gibt es nun Druck, die bestehende Landgesetzgebung in Mosambik zu verändern und eine Privatisierung von Land voranzutreiben. Insbesondere die Weltbank und US-amerikanische Programme wie die Millennium Challenge Corporation sind der Auffassung, dass eine Privatisierung die Landwirtschaft produktiver und wettbewerbsfähiger machen würde. Dabei verkennen sie, dass so unzählige Subsistenzbauern ihrer Lebensgrundlage beraubt werden könnten – ohne eine echte Alternative zur Sicherung ihres Lebensunterhalts aufzuzeigen.

Bisher hat die mosambikanische Regierung Forderungen nach Privatisierung nicht nachgegeben. Aber bereits im Jahr 2017 hat die Regierung bei einer Sitzung des Landkonsultationsforums angekündigt, das geltende Landrecht überprüfen zu wollen, um es an die aktuellen Herausforderungen und Bedürfnisse im Hinblick auf Landnutzung, Investitionen und damit verbundene Konflikte anzupassen. Im Juli 2020 wurde der Prozess der Revision vom mosambikanischen Präsidenten offiziell eingeleitet, indem eine Revisionskommission mit unterschiedlichen gesellschaftlichen Vertreter*innen eingesetzt wurde.

INKOTA-Partner an der Seite der Bauern und Bäuerinnen

Die mosambikanische Zivilgesellschaft begleitet den Prozess der Revision des Landrechts kritisch und will sicherstellen, dass mögliche Änderungen und Anpassungen nicht zu Lasten der Landbevölkerung gehen. Hierfür engagieren sich auch die INKOTA-Partnerorganisationen ADECRU, UNAC und ORAM. UNAC und ORAM haben als Interessenvertretungen der Bauern und Bäuerinnen in den 90er Jahren entscheidend an der Entwicklung der geltenden Landgesetzgebung mitgewirkt. Sie setzen sich auch jetzt dafür ein, dass der staatliche Landbesitz und die Landnutzungsrechte für lokale Gemeinden bestehen bleiben. Beide Organisationen sind zudem Teil der von der Regierung eingesetzten Revisionskommission, die die Anhörung der Bauern und Bäuerinnen im Zuge des Revisionsprozesses von zivilgesellschaftlicher Seite aus organisiert und begleitet.

Unsere mosambikanischen Partnerorganisationen sehen einige Herausforderungen in der Landnutzung und im Revisionsprozess des Landrechts. Die Nachfrage nach Land steigt, ebenso nehmen die Konflikte zu. Für UNAC liegt eine Lösung jedoch nicht in der Änderung, sondern in der richtigen Anwendung der bestehenden Gesetze, insbesondere, was die rechtmäßigen Konsultationsprozesse zwischen Gemeinden und Investoren angeht. Diese werden häufig unsachgemäß durchgeführt, was zur Folge hat, dass Gemeinden nur ungenügend beteiligt werden und Entscheidungen auf Basis unzureichender Informationen fällen. Außerdem setzten sich UNAC und ORAM für eine verbesserte Unterstützung der Bauern und Bäuerinnen ein, um ihre landwirtschaftliche Produktivität zu erhöhen. ADECRU kritisiert den gewählten Zeitpunkt der Revision: Inmitten der Corona-Krise, mit all ihren Einschränkungen des öffentlichen Lebens, ist eine echte Partizipation der Bauern und Bäuerinnen bei einem für sie lebenswichtigen Thema beinahe unmöglich. 

Ohne Land kein Leben!

Stellen Sie sich doch mal vor, morgen klopft jemand an Ihre Tür und sagt: „Sie müssen jetzt raus aus Ihrer Wohnung!“ Und dieser jemand ist der Staat, der Sie einfach enteignet – von einem Tag auf den anderen. Oder Investoren, weil sie gute Geschäfte mit Ihrer Wohnung machen können.

Was für Sie undenkbar scheinen mag, ist für viele Kleinbauernfamilien im globalen Süden eine reale Gefahr. Ob in Mosambik, Vietnam oder Zentralamerika: Unsere Partnerorganisationen im globalen Süden unterstützen Kleinbauernfamilien seit vielen Jahren. Sie helfen ihnen dabei, ihr Land zu verteidigen.

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