Corona in Brasilien: Mögliche Hungerkrise
Brasilien steckt in einer schweren Krise. Zivilgesellschaftliche Organisationen engagieren sich für am stärksten Betroffene und fordern Regierungsinvestitionen.
Unsere brasilianischen Partner des Netzwerks „Campanha Permanente Contra os Agrotóxicos e Pela Vida“ sind sehr besorgt um die Menschen in ihrem Land. Denn Brasilien befindet sich in einer dreifachen Krise:
- einer Krise im Gesundheitsbereich durch das Coronavirus, das aktuell vor allem in der Region São Paulo wütet und dort hunderte Todesfälle verursacht
- einer politischen Krise durch die fatalen Maßnahmen des ultrarechten Präsidenten Jair Bolsonaro
- einer wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Krise durch die Folgen der verhängten Ausgangssperre, die zu einer Hungerkrise führen könnten
Lauter Protest gegen Präsident Bolsonaro
Brasilien ist das Land Südamerikas mit den meisten Covid-19-Fällen: Bis zum 15. April 2020 wurden knapp 26.000 Infektionen und rund 1.500 Tote offiziell bestätigt. Die Dunkelziffer dürfte aber weit höher liegen. In den vergangenen Wochen hat dabei die Politik des Präsidenten Bolsonaro, der das Virus mehrmals als „kleine Erkältung“ bezeichnete, weltweit für Fassungslosigkeit gesorgt. Jeden Abend gehen nun Brasilianer*innen auf ihren Balkon. Mit lautem Topfschlagen protestieren sie gegen Bolsonaros Politik der Gefahrenleugnung. Inzwischen gilt der Präsident als politisch weitgehend isoliert, da die mächtigen Militärs in der Regierung die Politik des Gesundheitsministers Mandetta unterstützen, der sich an den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation WHO orientiert.
Besonders gravierend ist zudem die ökonomische Situation: In Brasilien arbeiten 41 Prozent der Beschäftigten informell und haben somit keinerlei Anspruch auf Arbeitslosengeld. Ihnen bricht in Zeiten der Ausgangssperre von heute auf morgen das Einkommen weg. Sie und ihre Familien laufen Gefahr, schon bald zu hungern.
Partner: Essenspakete und Desinfektionsmittel gegen die Krisen
Die drohende Ernährungskrise besorgt unsere Partner der „Campanha Permanente Contra os Agrotóxicos e Pela Vida“ (deutsch: Permanente Kampagne gegen Agrargifte und für das Leben) sehr. Mit dem Netzwerk stehen wir im engen Austausch zu den Auswirkungen des Einsatzes gefährlicher Pestizide und kritisieren gemeinsam die Verantwortungslosigkeit deutscher Pestizidhersteller wie Bayer und BASF. Einige Mitgliedsorganisationen der Kampagne sind nun selbst aktiv geworden. FASE Mato Grosso in etwa, verteilt Essenspakete an Bedürftige. Auch die Landlosenorganisation MST hat schon früh reagiert und stellt nun Alkohol als Basis für Desinfektionsmittel her.
Zivilgesellschaftliche Organisationen fordern Lebensmittelprogramm gegen Hungerkrise
Gleichzeitig haben sich viele Mitgliedsorganisationen des Netzwerks einem Aufruf von mehr als 300 Organisationen und sozialen Bewegungen angeschlossen. Sie fordern die Regierung auf, das Programm zur Abnahme von Lebensmitteln aus kleinbäuerlicher Landwirtschaft um eine Milliarde Reais (umgerechnet ca. 180 Millionen Euro) aufzustocken. Mit dem zusätzlichen Geld soll die Regierung in den nächsten drei Monaten 250.000 Tonnen Lebensmittel von 150.000 kleinbäuerlichen Familien aufkaufen und besonders ärmeren Familien zur Verfügung stellen. Außerdem fordern zahlreiche Organisationen, wie etwa La Via Campesina Brasilien, auch das nationale Schulspeisungsprogramm auszuweiten. Die momentan geschlossenen Schulen sollen so zur Ausgabe von Essenspaketen mit frischen Lebensmitteln aus bäuerlicher Erzeugung genutzt werden. Dies wären zumindest erste Schritte, um die schlimmsten Folgen der Krise zu dämpfen.