Zwei Hände halten Kakaobohnen und bilden ein Herz
Projekte & Länder

Stärkung der Kakaobäuerinnen in Ghana

Evaluierung zeigt: Vernetzung im Kakaosektor wirkt

von Juliane Bing
Veröffentlicht 10. APRIL 2024

Seit vielen Jahren setzt INKOTA auf zivilgesellschaftliche Vernetzung und Zusammenarbeit, um gemeinsam mit anderen Organisationen für die Einhaltung der Menschenrechte und Verbesserung der Lebenssituation von Kakaobauernfamilien in Westafrika zu kämpfen. 2023 wurde eine externe Evaluierung beauftragt, um die Wirkungen unserer Arbeit im Kakaosektor zu analysieren. Der Fokus der Evaluierung lag auf der Vernetzung der Zivilgesellschaft in Deutschland und Ghana sowie auf dessen Auswirkungen auf nationale und internationale Dialogprozesse zu nachhaltigem Kakao.

Probleme im Kakaosektor gemeinsam anpacken

Seit über zehn Jahren ist INKOTA Mitglied der Multi-Akteurs-Partnerschaft Forum Nachhaltiger Kakao. Das Forum ist ein Zusammenschluss unterschiedlicher Interessengruppen. Neben Vertreter*innen der Bundesregierung, vertreten durch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) ist im Forum auch die deutsche Süßwarenindustrie, der deutsche Lebensmittelhandel und zivilgesellschaftliche Organisationen aktiv. Ziel des Forums ist es, die zentralen Herausforderungen wie Armut, Kinderarbeit und Entwaldung im Kakaoanbau zu adressieren. Seit 2017 vertritt INKOTA die zivilgesellschaftlichen Organisationen im Vorstand. Im selben Jahr startete INKOTA die Partnerarbeit mit der ghanaischen Organisation SEND. Im Rahmen dieses Projekts sollen zivilgesellschaftliche Organisationen aus Ghana gestärkt werden, sich in politische Dialogprozessen zu nachhaltigen Kakaolieferketten einzubringen. Seitdem werden die komplexen, dynamischen Herausforderungen des Kakaosektors entlang der gesamten Lieferkette gemeinsam angegangen.

Im Interview sprechen Evelyn Bahn, Referentin für Wirtschaft und Menschenrechte Kakao & Schokolade, und Nana Kwasi Barning, Projektkoordinator bei SEND-Ghana und Koordinator der Ghana Civil Society Cocoa Platform, über die langjährige Zusammenarbeit zwischen INKOTA und SEND, gemeinsame Lernerfahrungen und die konkreten Wirkungen zivilgesellschaftlicher Vernetzung in Deutschland und Ghana.

Für die Kakaobauernfamilien

Was war vor sieben Jahren die Ausgangslage in Deutschland? Gab es schon eine intensive Zusammenarbeit verschiedener NGOs im Kakaosektor?

Evelyn: Im Forum Nachhaltiger Kakao (FNK) gab es die Gruppe der Zivilgesellschaft. Allerdings besaßen sie keine gemeinsame Strategie, um Prozesse im Kakao-Forum voranzubringen. Damals konzentrierte sich das FNK fast ausschließlich auf den Anstieg des Anteils zertifizierten Kakaos. Das schürte die Frustration vieler zivilgesellschaftlicher Organisationen, da allein über Zertifizierung die Probleme der Armut unter Kakaobauernfamilien, der ausbeuterischen Kinderarbeit und der Entwaldung nicht gelöst werden. 2017 organisierten wir von INKOTA einen Workshop für alle zivilgesellschaftlichen Organisationen im Forum. Damit konnte eine neue Dynamik entfacht werden. Seitdem finden sehr regelmäßige Treffen der Zivilgesellschaft statt, um gemeinsame Positionen und Strategien für die Arbeit im Forum Nachhaltiger Kakao zu diskutieren.  

Wie war die Ausgangslage in Ghana? Warum war es aus der Sicht von SEND wichtig, die zivilgesellschaftliche Vernetzung zu intensivieren?

Nana: Es gab damals viele zivilgesellschaftliche Akteure im Kakaosektor, aber es fehlte an Koordination, an Informationen und am Wissensaustausch. Das hat es uns sehr schwer gemacht, uns wirksam für Veränderungen einzusetzen. Es war also notwendig, dass wir als Zivilgesellschaft zusammenarbeiten. Deshalb haben wir die Ghana Civil Society Cocoa Platform (GCCP) ins Leben gerufen, um der Zivilgesellschaft eine koordinierte Stimme zu geben und gemeinsam für politische Reformen im Kakaosektor einzutreten.

Heute gibt es in beiden Kakaoanbauländern starke und kompetente zivilgesellschaftliche Netzwerke. Niemand außer INKOTA setzt sich so vor Ort ein. Es ist ein langfristig angelegter Ansatz, der nicht versucht, eine Vision aufzudrängen, sondern den Menschen vor Ort hilft, sich selbst zu organisieren.
Evaluatorenteam

Die koordinierte und strukturierte Zusammenarbeit der Zivilgesellschaft im Rahmen des FNK hat eindeutig dazu beigetragen, das Thema existenzsichernde Einkommen auf die Agenda zu setzen. Zu diesem Schluss kam das Evaluatorenteam. Was waren dabei wichtige Erfolgsfaktoren?

Evelyn: Wir haben als Zivilgesellschaft in vielen Gesprächen mit Vertreter*innen aus der Schokoladenindustrie, dem Lebensmitteleinzelhandel und den Bundesministerien immer wieder darauf hingewiesen, dass sich die menschen- und umweltrechtlichen Herausforderungen im Kakaosektor ohne existenzsichernde Einkommen nicht lösen lassen. Strukturelle Armut der Kakaobauernfamilien ist zum Beispiel ein wesentlicher Grund für Kinderarbeit. Studien zivilgesellschaftlicher Organisationen von INKOTA, Südwind oder auch Fairtrade haben dazu beigetragen, dass diese Gespräche evidenzbasiert geführt werden konnten. Wir mussten sehr beharrlich darauf bestehen, dass das Thema existenzsichernde Einkommen im Forum Nachhaltiger Kakao bei Veranstaltungen thematisiert wird. Erst 2023 haben sich dann alle Mitglieder des Forum Nachhaltiger Kakao in einem gemeinsamen Ziel dazu bekannt, dass bis 2030 90% der Kakaobauernhaushalte in den Lieferketten der Mitgliedsunternehmen über ein existenzsicherndes Einkommen verfügen sollen. In individuellen Roadmaps müssen nun alle Mitglieder darlegen, wie sie zu diesem Ziel beitragen. Das war ein Durchbruch!

Was hat sich durch die Zusammenarbeit zivilgesellschaftlicher Akteure in den vergangenen Jahren in Ghana konkret verändert?

Nana: Es lassen sich konkrete Veränderungen auf drei Ebenen beobachten: Es ist uns erstens gelungen, mittlerweile mit staatlichen Institutionen wie dem COCOBOD, also der staatlichen ghanaischen Kakaobehörde und Ministerien ins Gespräch zu kommen. Das war davor nicht der Fall. Außerdem konnten wir die Wissens- und Informationslücken schließen. Es ist uns außerdem gelungen, eine Partnerschaft zwischen der GCCP und der ivorischen zivilgesellschaftlichen Kakaoplattform, der PICD, zu etablieren. Wir konnten uns untereinander über unsere Strategien austauschen und uns auf gemeinsame Interessengebiete einigen: existenzsicherndes Einkommen, Umweltschutz, Transparenz und Rechenschaftspflicht sowie Menschenrechte.

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Die Evaluierung hob hervor, dass die große Stärke der INKOTA Zusammenarbeit mit Partnern in Ghana die Einbindung der Perspektiven der Stimmen von Kleinbäuer*innen in hiesige politische Debatten ist. Wie kann man sich das vorstellen? Welche Rolle spielt INKOTA dabei?

Evelyn: Als ich vor zehn Jahren erstmals an Veranstaltungen und Konferenzen zum Thema nachhaltige Kakaolieferketten teilgenommen habe, waren lokale zivilgesellschaftliche Organisationen und Kooperativenvertreter*innen an den Diskussionen fast nicht beteiligt. Viele Menschen aus Europa und Nordamerika haben entschieden, was das Beste für die Menschen in den Kakaoanbauländern ist – ohne Kakaobäuer*innen selbst einzubeziehen. Wir haben uns in den vergangenen Jahren sehr dafür eingesetzt, dass Vertreter*innen von Kakaobauernorganisationen an wichtigen internationalen Dialogformaten beteiligt werden. So haben wir z.B. unsere Partner aus Ghana bei Reisen nach Europa unterstützt und sie auch mit anderen europäischen NGOs vernetzt, so dass unsere Partner für Vorträge und Workshops in Deutschland und Europaweit eingeladen wurden. Sie konnten nun endlich selbst über ihre Herausforderung im Kakaoanbau sprechen. Oft sind es aber auch schon Kleinigkeiten, die für Menschen aus Europa ganz selbstverständlich sind, die eine Teilnahme an Konferenzen für Menschen aus Westafrika erschwert. Das fängt bei den Reisekosten an, betrifft die Beantragung von Visa oder es fehlt schlichtweg an Übersetzungen. Hier unterstützt INKOTA die Vertreter*innen der Ghana Civil Society Cocoa Platform.

Die GCCP hat uns eine stärkere Stimme gegeben, mit der wir unsere Anliegen zum Ausdruck bringen und uns für notwendige Veränderungen im Kakaosektor einsetzen können. Sie hat uns in die Lage versetzt, effektiv mit politischen Entscheidungsträgern und Interessenvertretern der Branche zusammenzuarbeiten.
Ein ghanaischer Kakaobauer im Rahmen der Evaluierung

Welcher Mehrwert hat es für SEND-Ghana und die GCCP, euch in politische Debatten in Europa einzubringen?

Nana: Wir sind jetzt in der Lage, bei politischen Debatten auf nationaler und internationaler Ebene mitzureden und Prozesse zu beeinflussen. Als es im vergangenen Jahr in der EU und Ghana um die EU-Verordnung zu entwaldungsfreien Lieferketten ging, war die GCCP in der Lage, mit einer Stimme zu sprechen und gemeinsam abgestimmte Positionen an das Europäische Parlament zu übermitteln. Bei den Debatten zum EU-Lieferkettengesetz haben wir uns ebenfalls als Plattform eingebracht.

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Die Evaluierung hob hervor, dass das Besondere an der GCCP die Zusammenarbeit von NGOs mit Kakaobauernorganisationen ist. Kannst du konkret beschreiben, wie das aussieht und worin der Mehrwert liegt?

Nana: NGOs und Kakaobauernorganisationen arbeiten in unserer Plattform Hand in Hand. Die Kooperativen erleben täglich Schwierigkeiten, die wir versuchen zu verbessern. Die Informationen und Schilderungen, die wir von ihnen erhalten, sammeln wir und treten damit an die Politik heran. Diese Informationen und Beweise brauchen wir, um Veränderungen zu bewirken.

Frage an beide: Die Zusammenarbeit zwischen INKOTA und SEND geht bald in die nächste Phase. Worauf wird im neuen Projekt der Fokus gelegt?

Nana: Wir werden die Arbeit, die wir bisher geleistet haben, fortsetzen. Wir wollen die Strukturen der GCCP stärken und konsolidieren. Außerdem wollen wir die Expertise der Kakaobauern und -bäuerinnen noch weiter stärken, denn sie machen die GCCP aus und sollen in den nächsten Jahren noch sichtbarer werden.

Evelyn: Existenzsichernde Einkommen und die Rolle von fairen Preisen und langfristigen Verträgen zwischen der Schokoladenindustrie und den Produzentenorganisationen werden das dominierende Thema für die kommenden Jahre sein. Hier müssen wir an einem Strang ziehen!

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