Côte d’Ivoire: Politische Krise nach Wahlen
Seit den Präsidentschaftswahlen kommt das größte Kakaoanbauland nicht zur Ruhe. Erinnerungen an blutige Konflikte der Vergangenheit werden wach.
Überschattet von Spannungen, Gewaltausbrüchen und Vorwürfen des Wahlbetrugs, fand am 31. Oktober die Präsidentschaftswahl in der Côte d’Ivoire statt. Der Amtsinhaber Alassane Ouattara war gegen mehrere Oppositionskandidat*innen angetreten und gewann laut offiziellen Aussagen mit 94 Prozent der Stimmen. Nachdem Teile der Opposition zuvor zu einem Boykott aufgerufen hatten, erkannte sie das Wahlergebnis nicht an und rief einen nationalen Übergangsrat aus. Seit Monaten kommt es im Land zu gewalttätigen Protesten, bei denen mindestens 85 Menschen gestorben sind. In dem weltweit führenden Anbauland für Kakao wirkt sich diese Krise zunehmend auf den Kakaosektor aus.
Zunächst Hoffnung auf Neuanfang
Präsident Ouattara, der seit 2010 an der Macht ist, hatte zunächst seinen Verzicht auf eine weitere Amtszeit erklärt. Er wolle den Weg für eine neue, jüngere Generation freimachen und hatte Premierminister Coulibaly als seinen Nachfolger vorgeschlagen. Das hatte Hoffnungen auf ein Ende der Auseinandersetzungen zwischen den führenden politischen Figuren des Landes geweckt, deren Rivalität die ivorische Politik seit Jahrzehnten beherrscht. Nachdem Coulibaly im Juli allerdings überraschend an einem Herzinfarkt verstarb, kündigte Ouattara an, erneut für die Präsidentschaft zu kandidieren.
Dann scharfe Polarisierung
Für viele Ivorer*innen kam die erneute Kandidatur Ouattaras für eine dritte Amtszeit einem Staatsstreich gleich, da die ivorische Verfassung nur zwei Amtszeiten erlaubt. Besonders die jahrzehntelange Rivalität zwischen Ouattara und dem ehemaligen Präsidenten Henri Konan Bédié, der als prominentester Kandidat für die Opposition antrat, befeuerte in den Monaten vor der Wahl die Polarisierung der politischen Lager.
Konflikt mit Vorgeschichte
Seit Monaten kommt es zu gewaltsamen Konfrontationen und Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und der Bevölkerung sowie sich rivalisierenden lokalen ethnischen Gruppen. Seit August sind hierbei mindestens 85 Menschen gestorben und über 450 verletzt worden. Dadurch werden Erinnerungen an die Wahl von 2010 wach, bei der im Nachgang an die Wahl über 3.000 Menschen ihr Leben verloren. Damals trat Ouattara in der Präsidentschaftswahl gegen Amtsinhaber Laurent Gbagbo an. Den Wahlsieg beanspruchten beide für sich. Ouattara wurde international als Wahlsieger anerkannt, während Gbagbo sich weigerte abzutreten.
Vor dem Hintergrund langjähriger Spannungen zwischen Rebellen, die den Nordteil des Landes kontrollierten und Ouattara unterstützten, und Gbagbo-treuen Regierungstruppen im Süden des Landes, kam es über Monate zu gewaltvollen Auseinandersetzungen beider Lager. Erst nachdem Gbagbo am 11. April 2011 von einer französischen Eliteeinheit festgenommen wurde und anschließend an den Internationalen Strafgerichtshof überstellt wurde, wurde der Konflikt beendet.
Erst die Spaltung, dann der Bürgerkrieg
Hauptursache der bis heute anhaltenden Spannungen ist das in den 90er Jahren eingeführte Konzept der ‚Ivoirité‘. Es wird von vielen Menschen in der Côte d'Ivoire als nationalistisch und rassistisch eingestuft, da mit dessen Hilfe seine Anhänger*innen definieren, wer als Ivorer*in gilt und wer nicht. Dadurch kam es zu Spannungen zwischen einheimischen und zugewanderten Bewohner*innen des Landes. Als dann die mehrheitlich im Norden des Landes lebenden Kandidat*innen und Wähler*innen mit Migrationsgeschichte von Wahlen ausgeschlossen wurden, eskalierte der Konflikt. Die Folge war ein fünfjähriger Bürgerkrieg ab 2002, in dessen Folge das Land de facto geteilt wurde. Auch bei den jüngsten Wahlen kamen das Konzept der ‚Ivoirité‘ und die ihm zugrundeliegenden Ressentiments in der politischen Debatte immer wieder auf.
Politische Krise trifft den Kakaosektor
Ungewissheit über den Ausgang der politischen Krise und Angst vor einem erneuten Konflikt wirken sich auch auf die ivorischen Kakaoproduzent*innen aus. Seit Anfang Oktober befinden sich die Produzent*innen mitten in der Erntesaison ihrer Kakaobohnen. Zusammenstöße in Kakaoanbauregionen und Angst vor einem erneuten Konflikt führen laut Berichten von Reuters dazu, dass viele mit ihrer Ernte abwarten und Zwischenhändler weniger Kakao aufkaufen. Das könnte sich negativ auf die Menge und Qualität der Kakaoernte auswirken, da die Bohnen nicht geerntet oder richtig getrocknet werden könnten. Eine Zuspitzung der Krise könnte sich auch auf die weltweiten Kakaopreise auswirken.
Hoffnung auf Lösung durch Dialog
Pauline Zei, Direktorin von INADES-Formation, der Partnerorganisation von INKOTA in der Côte d’Ivoire, hofft deshalb, „dass der Dialog, der gegenwärtig von den anwesenden politischen Kräften eingeleitet wird, zu Frieden führen kann.“
Nachdem die Vereinten Nationen, die Europäische Union, Frankreich sowie Nachbarstaaten Druck auf Ouattara und Bédié ausgeübt hatten, trafen sich beide vergangene Woche zu ersten Gesprächen. Allerdings werden erst die kommenden Wochen zeigen, ob sich beide Seiten in dem seit Jahren schwelenden Konflikt einigen können, um das westafrikanische Land vor einer weiteren Eskalation bewahren zu können.
INKOTA arbeitet seit 2019 in der Côte d’Ivoire mit der Partnerorganisation INADES-Formation zusammen, um zivilgesellschaftliche Organisationen und Kakao-Produzent*innen zu stärken und regional und international zu vernetzen, damit sie ihre Interessen gegenüber der Regierung und den Kakao- und Schokoladenunternehmen vertreten können.