Auf Kosten der Schwächsten
Statt Entwicklungshilfe zu kürzen müsste Deutschland mehr globale Verantwortung übernehmen
Wenn Christian Lindner sich durchsetzt, wären es die größten Einsparungen staatlicher Entwicklungshilfe in der Geschichte der Bundesrepublik. Nach Kürzungen von über 1,4 Milliarden im laufenden Jahr sollen nach den Plänen des Bundesfinanzministers 2025 noch einmal rund 1,7 Milliarden Euro eingespart werden. Bis Ende der Legislaturperiode soll die Entwicklungszusammenarbeit um 25 Prozent und die humanitäre Hilfe sogar um mehr als 30 Prozent gekürzt werden. Die zuständigen Ministerinnen Svenja Schulze und Annalena Baerbock wehren sich dagegen und haben Mehrbedarfe angemeldet.
Dabei schreckt Lindner nicht davor zurück, sich an Falschinformation und dem rechten Narrativ der AfD zu bedienen, wenn er die Kürzungsvorgaben damit begründet, „wir können nicht mehr jeden Radweg in Peru mit dem Geld der deutschen Steuerzahler bezahlen“. Er sabotiert so die Versuche von Entwicklungsministerin Schulze die Debatte zu versachlichen und trägt bewusst zur Delegitimierung der internationalen Zusammenarbeit Deutschalnds bei.
In Zeiten multipler globaler Krisen ist diese Sparpolitik auf Kosten der Ärmsten nicht nur zutiefst unsolidarisch, sondern auch sehr kurzfristig gedacht. Dazu passen auch andere Kürzungsvorschläge der FDP: Bürgergeld, Kindergrundsicherung, Renten. Survival of the fittest - Charles Darwin hätte seine Freude daran. Die soziale Polarisierung in unserer Gesellschaft wird so weiter angeheizt. Arme gegen Reiche, Junge gegen Alte, Germany first! statt Übernahme globaler Verantwortung.
Die Krisenforschung hat gezeigt: Solidarische Gesellschaften könnten Krisen besser meistern. Im Falle globaler Krisen wie der Klimakrise oder den Folgen des Ukrainekriegs ist daher die internationale Gemeinschaft gefragt. Das bedeutet für Deutschland als drittgrößte Volkswirtschaft der Welt mehr statt weniger globale Verantwortung zu übernehmen. Ansonsten überlässt es das Feld anderen Akteuren wie China oder Russland, die ihre eigenen Interessen in Afrika und Asien verfolgen und ihren Einfluss dort zuletzt weiter auszubauen konnten.
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Globale Verantwortung gibt es aber nicht zum Nulltarif. Die notwendigen Mittel müssen in Zeiten knapper Kassen über Einsparungen oder neue Schulden finanziert werden. Für beides gibt es praktikable Vorschläge. Das Umweltbundesamt hat berechnet, dass durch kurzfristig umsetzbare Streichungen umweltschädlicher Subventionen zusätzliche Steuereinnahmen in Höhe von bis zu 24 Mrd. Euro pro Jahr zu Verfügung stehen würden. Aber die Streichung des Dienstwagenprivilegs oder die Kerosinbesteuerung sind mit der FDP nicht zu machen.
Auch Vorschläge, die Teile der Krisenvorsorge von der Schuldenbremse auszunehmen, weist Linder mit Verweis auf den Koalitionsvertrag zurück. Dabei ist der deutsche Schuldenberg im weltweiten Vergleich niedrig. Mit 66 Prozent liegt deutsche Staatsschuldenquote unterhalb des EU-Durchschnitt von 84 Prozent und von weit entfernt von den USA (121 Prozent), die dennoch milliardenschwere Schuldenprogramme auflegen, um ihre Wirtschaft in eine klimaneutrale Zukunft zu führen.
Allerdings ist im Koalitionsvertrag auch festgeschrieben, 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für Entwicklungshilfe auszugeben. Diese Quote wird schon aktuell nur durch Rechentricks erreicht, indem etwa Ausgaben für Geflüchtete in Deutschland eingerechnet werden. Mit der Umsetzung der Sparvorgaben wäre das 0,7-Prozent-Ziel trotzdem nicht zu halten – ein klarer Bruch dieses Versprechens der selbsternannten der Fortschrittskoalition.
Bleibt zu hoffen, dass die Ministerinnen Schulze und Baerbock standhaft bleiben und sich dem ideologisch motivierten Sparfetischismus der FDP erfolgreich widersetzt. Dafür bräuchten sie allerdings Rückendeckung des Bundeskanzlers, der bisher allerdings eher gegenteilige Signale aussendet.
Arndt von Massenbach ist politischer Geschäftsführer von INKOTA, sein Kommentar erschien im Südlink 208.